Es weihnachtet sehr auf einem typisch amerikanischen College-Campus: Die Weihnachtsdeko blinkt, der Schnee rieselt leise, und die Studentinnen einer Verbindung feiern ein kleines Fest, bevor einige über die Ferien abreisen werden. Doch wie das als Studentin in Horrorfilmen so ist, meldet sich plötzlich ein Psychopath per Telefon zu Wort und terrorisiert die Mädchen mit obszönen Anrufen. Schon bald verschwinden die ersten Damen, und Inspektor Fuller nimmt die Ermittlungen auf. Es steht wahrlich ein schwarzes Weihnachten bevor...
"Black Christmas", der den dämlichen deutschen Titel "Jessy - Die Treppe in den Tod" früher mal trug, ist ein Frühwerk des Slasherfilmes und erschien sogar vier Jahre vor dem vielleicht wichtigsten Vertreter dieser Bewegung, dem legendären "Halloween" von John Carpenter. In Amerika hat der Film fast schon Kultstatus, dementsprechend erfuhr er in der aktuellen Remakewelle, wo alles neu gedreht wird was nicht bei Drei auf den Bäumen ist, eine Neuauflage unter der Regie von Glen Morgan, welche ich auch zuerst gesehen habe. Allerdings unterscheiden sich die Filme fast vollkommen voneinander, so dass man eher nicht von einem Remake sprechen kann. In Deutschland ist der Film eher unbekannt, so dass viele bestimmt bei "Black Christmas", wenn überhaupt, dann zuallerst an die Neuauflage denken. Dabei muss man festhalten, dass das Original wirklich zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist, denn der Film hat wirklich seine Qualitäten, die
ihn aus dem Genreeinheitsbrei herausragen lassen - und das als Vorreiter des Genres!
Wer bei dem Titel, und bei eventuell vorhandener Kenntnis des blutrünstigen Remakes, auf einen Horrorfilm mit brutalen Effekten spekuliert, der wird sicherlich enttäuscht werden. Im Gegensatz zum Remake hat "Black Christmas" durchaus eine humoristische Note, ohne jedoch in plumpen Slapstick zu verfallen. Dieser Humor steht sicherlich nicht im Vordergrund, sondern fügt sich wunderbar in die Charaktere ein, so dass der Zuschauer auch während - in Horrorfilmen potentiell langweiligen - Dialogszenen durchaus bei Laune gehalten wird. Dies reicht vom Runnning Gag der saufenden Hausmutter bis zu dem genialen "Fellatio"-Witz. Wichtig ist jedoch, dass der Film seine ernste und düstere Grundstimmung nicht durch diese Witze verliert, so dass man den Film durchaus als spannenden Grusler konsumieren kann. Im Kontrast dazu steht dann jedoch der Horroranteil des Films, der stellenweise schon in die Richtung des klassischen Terrorfilmes abdriftet. Gerade in den Szenen, wenn der anonyme Killer bei den Studentinnen anruft, und von den obszönen Stöhnanrufen in die Psychoschiene verfällt, genau dann spielt Bob Clarks Film eine unerwartet starke Terrornote aus und bleibt dabei angenehm unhektisch inszeniert.
Trotz diesen "harten" Szenen bleibt der Film weit weg vom Remake und trägt die Freigabe ab 16 völlig zurecht. Es gibt fast kein Blut zu sehen, die meisten Morde passieren im Off oder werden sowieso nicht sehr breit ausgewalzt. Am brutalsten und grafischsten ist da wohl noch der Erstickungstod mit einer Plastiktüte, ansonsten bewegt sich jedoch alles im grünen Bereich. Hier ist der Film deutlich zurückhaltend aber trotzdem souverän und spannend inszeniert. Zwar wünscht sich manch Zuschauer aufgrund heutiger Sehgewohnheiten vielleicht etwas mehr roten Lebenssaft, aber der Film ist nunmal kein Vertreter der momentan modernen "Hardgore"-Welle im Mainstreamkino. Ein Nachteil von "Black Christmas", im weitesten Sinne, ist dann aber doch das typische Problem eines Slasherfilmes: dem Zuschauer wird schon einiges an suspension-of-disbelief abverlangt. Zwar ist der Film nicht schädelsprengend dumm wie andere Vertreter seiner Zunft, aber er hat doch ein paar Holprigkeiten und dämliche Verhaltensweisen seiner Protagonisten, so dass der Zuschauer gewisse Dinge einfach akzeptieren muss. Dies stört den Filmgenuss nicht unbedingt, ist also verschmerzbar, aber trübt den überwiegend guten Gesamteindruck doch etwas.
Womit der Film dann aber nochmal richtig punkten kann, sind zwei Dinge: das Ende ist verdammt cool und gelungen, und der Film ist wunderbar fotografiert. "Black Christmas" bietet dem Zuschauer nicht unbedingt viele Verdächtige und ihre Motive, sondern lässt dem Zuschauer eigentlich nur einen Killer übrig. Das mag eigentlich ziemlich schade sein, aber das Ende des Film ist dann absolut spitze und steht eigentlich im ziemlich krassen Kontrast zu den restlichen Slasherfilmen, die natürlich erst Jahre später folgen würden. Auffällig ist auch die wunderbare Kameraarbeit von Reginald H. Morris. Neben der durchaus weihnachtlichen Stimmung überzeugt der Film vor allem mit den subjektiven Kamerafahrten aus Sicht des Killers. Der Killer erklimmt das Haus, steigt Leitern hoch, dabei sind immer seine Hände und Beine sichtbar. Das ganze ist technisch hervorragend umgesetzt und für diese Zeit wirklich erstaunlich. Auch sonst gibt es wunderbare Kameraeinstellungen, schöne Fahrten und gelungene Beleuchtung. Vielleicht wäre ein etwas breiteres Bildformat wünschenswert gewesen, aber das kann auch nur daran liegen, dass ich "breite" Filme sehr mag.
Regie bei dem Film führte der inzwischen verstorbene Kanadier Bob Clark. Erste größere Sporen erntete er mit "Children Shouldn't Play with Dead Things", "Black Christmas" war erst sein fünfter Spielfilm. Daneben führte er auch noch Regie bei "Der Harte und der Zarte" oder auch "Porky's" mitsamt Fortsetzung. Olivia Hussey überzeugt als Final-Girl Jessy und ist aus "ES" nach Stephen King bekannt. Ihren Freund Peter spielt Keir Duella aus "2001" und "2010". Am besten ist aber dann doch John Saxon, immer wieder gern gesehen Gesicht und Horrorveteran. Er arbeitete mit Dario Argento für "Tenebre" und mit Wes Craven in "Nightmare" und hatte auch eine Rolle in "From Dusk till Dawn". Reginald H. Morris führte witzigerweise auch bei weiteren Weihnachtsfilmen die Kamera.
Der Film liegt von Capelight auf DVD vor. Das Bild ist ziemlich gut, nur in dunklen Szene schwächelt es etwas, was sicherlich auch am Alter liegt. Der Ton ist gut verständlich und liegt in Deutsch und Englisch (hier nur Stereo) vor. Es gibt darüberhinaus einiges an Extras, unter anderem eine 36 Minuten lange Dokumentation und ganze zwei Audiokommentare! Prima DVD eines prima Films, und Nummer 1 der Capelight Collector's Series.
Fazit: Mit "Black Christmas" liegt ein wunderbar gelungener Horrorfilm vor. Der Film punktet vor allem durch sein Ende und die Kameraarbeit, auch wenn er die üblichen Probleme eines Horrorfilms hat. Nichtsdestotrotz unterhält der Film prächtig und auch die ein oder andere humoristische Note. Und an Weihnachten spielt das ganze auch noch, was ihn für unseren Adventskalender qualifiziert!
Besinnlichkeitsfaktor: Es ist ein Horrorfilm!
Schnee-Anteil: Jo, es liegt durchaus Schnee. Es scheint kalt zu sein, aber ein eiskalter Killer braucht trotzdem keine Handschuhe.
Weihnachts-Deko: Es blinkt, es leuchtet, es gibt Tannenzweige. Leider fehlt der gelungene Weihnachtsbaum aus dem Remake mit Augäpfeln als Christbaumkugeln und einem Kopf als Stern ganz oben.
Sing-along-Faktor: Ein Kinderchor hat einen Auftritt, aber das Lied kannte ich persönlich nicht. Aber zumindest in der ersten Minute kann das Publikum bei einem sehr bekannten Klassiker mitsingen.
Familientauglichkeit: Na die großen Kinder werden sich sicherlich amüsieren. Und Oma identifiziert sich vielleicht mit der saufenden Hausdame ;)
Kultpotential / Klassiker: Auf jeden!
Weihnachtsessen-Faktor: Gegrillt wird keiner, aber wer sein Steak gerne englisch-blutig mag, kriegt hier zumindest ein bisschen Blut zu Weihnachten geliefert.