(USA, 1976)
„Hello? ... There is a beautiful woman in my bed and a dead man in my bath.“
Eine von Peter Frankenfelds berühmtesten Nummern trägt den Titel „Die Bowle“. Bei der Zubereitung vor Publikum geht alles schief; der Wein daneben; der Wein zu herb; zu viel Würfelzucker, den er aus der Bowle wieder in die Dose befördern will; der Löffel fliegt in die Ecke, Frankenfeld hebt ihn auf und schmeißt ihn zurück in die Schüssel („Der Teil der Bühne da hinten ist ja ganz schön staubig…“). Slapstick in der Tradition von Freddie Frinton, Frankenfeld war ein Großer und dieser Aufgabe gewachsen.
Nebenbei lieferte er eine allgemeingültige Umschreibung für das Arbeiten beim Fernsehen bzw. das Überstehen dieser Tätigkeit ohne bleibende psychische Schäden („Sie wissen ja: ZDF – Zuerst Die Flüssigkeiten.“).
Das kleine Beispiel soll nur folgendes zeigen. Humor ist göttliche Kunst und hartes Handwerk zugleich. Das Talent für Kunst ist häufig in die Wiege gelegt, Handwerk kann gelernt werden. Und dieses Handwerk muss gut gelernt werden, sonst sieht´s nicht komisch aus. Alle großen Komiker wussten und wissen das. Und was so oft nach unbeholfener Trottelei und groteskem Klamauk aussieht, ist in Wahrheit immer harte Arbeit und minuziöse Planung. Alles nur, um Menschen zum Lachen zu bringen.
Einer der größten Meister des virtuosen Klamauks
war Peter Sellers. Sein Repertoire ging weit über so etwas hinaus, das belegt Stanley Kubricks
Dr. Strangelove (
Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben, 1964) ganz eindrucksvoll. Oder seine letzte große Rolle in Hal Ashbys Politsatire
Being There (
Willkommen, Mr. Chance, 1979). Manche Leute werden regelrecht ungehalten und ausfallend, wenn man (in Anlehnung an ein Clausewitz-Zitat) bemerkt,
Being There sei doch, irgendwie, im Grunde, auch nur die Fortsetzung von Inspektor Clouseau mit anderen Mitteln. Das sind meistens Menschen, die die Pink Panther-Filme hochnäsig und mit spitzen Fingern unter ‚Comedy’ abhaken. Aber wenn man sich darauf verständigen kann, dass diese Filmreihe einfach ein großes, schönes Geschenk von Sellers und Regisseur Blake Edwards an die Menschheit ist, dann können wir ja weiter machen im Text.
Alle Filme um den vertrottelten französischen Inspektor waren maßgeschneiderte Ein-Mann-Shows für den britischen Komiker, der vor seiner Schauspielerkarriere Schlagzeuger werden wollte. Jeder hat seinen Favoriten. Ich behaupte,
Pink Panther Strikes Again (
Inspektor Clouseau – Der „beste“ Mann bei Interpol, 1976) ist die allerbeste. Und viele andere Menschen die ich kenne, behaupten dasselbe. Es gibt, außer diesem, nur noch eine Hand voll anderer Filme, bei denen man so lachen muss, dass einem alles weh tut vom vielleicht schönsten Gefühl der Welt.
Wir erinnern uns. Clouseaus (Peter Sellers) surreal anmutende Trotteligkeit auf der Jagd nach dem Riesendiamanten hat in
Revange of the Pink Panther (1974) seinen armen Chef, Inspektor Dreyfus (Herbert Lom) in die Klapsmühle getrieben. Zwei Jahre später glaubt sein Psychiater, ihn geheilt zu haben. Doch am Tag seiner Entlassung taucht Clouseau auf, mittlerweile grotesker Weise befördert, möchte eigentlich nur Guten Tag sagen, und nach fünf Minuten jagt ein irre lachender Dreyfus Clouseau über den ganzen Hof. „Ich will ihn doch nur ein kleines bisschen umbringen!! Hihihi!!!“
Dreyfus bricht schließlich aus und trachtet dem Möchtegern-Sherlock Holmes nach dem Leben. Seine Obsession geht soweit, dass er einen berühmten Physiker entführt und sich von ihm eine gigantomanische Strahlenkanone bauen lässt. Seine Forderung, die er über das Fernsehen in die ganze Welt funkt: Entweder Clouseau verschwindet vom Erdboden, oder ganz England. Daraufhin macht sich eine internationale Killerschar auf den Weg.
Warum ausgerechnet dieser Film der beste aus der Reihe sein soll, hat für mich (neben den 1A-Gütesiegel-Gags) einen ganz einfachen Grund:
Pink Panther Strikes Again ist nicht ausschließlich eine Ein-Mann-Show für Peter Sellers, nicht dieses Mal. Herbert Lom als Prototyp des irren, Orgel klimpernden Filmschurken, irgendwo zwischen James Bond-Widersacher und dem Phantom der Oper, ist in dieser Rolle schlichtweg genial. Weder davor noch danach ließ Regisseur Edwards diese beiden Temperamente mit so viel Gedonner aufeinanderprallen und gegeneinander ins Gefecht ziehen.
Sellers wiederum spielt seine Rolle als Trottelpolizist, dessen Talent in keinem Verhältnis zu seinem Ego steht, wie aus dem Effeff. Sein Faible für das Schlüpfen in verschiedene Rollen und Imitieren von unterschiedlichen Sprachstilen nutze Edwards fast bis zum Exzess. In einem Fernsehinterview mit Michael Parkinson spielte er die Rolle des tumben Nazi-Drehbuchschreibers in Mel Brooks
The Producers (
Frühling für Hitler, 1968) nach – man könnte wirklich meinen, da spricht ein Deutscher schlecht englisch aus. Und nicht zu vergessen Sellers Markenzeichen, auch noch die peinlichste Fettnäpfchensituation mit dem zum Scheitern verurteilten Versuch zu überspielen, die Würde zu wahren.
Die Szenen, die großen Szenen, bei denen einem alles kocht vor lachen, man kann sie fast nicht alle aufzählen. Zum Beispiel die in Clouseaus Wohnung, in der sich Sellers mit seinem Diener Cato (Burt Kwouk) das legendärste aller Trainingsduelle liefert, während Dreyfus in der Wohnung darunter Löcher in die Decke bohrt, um mit einem Mini-Teleskop seinen Widersacher auszuspionieren. Hier spielt Edwards auch mit akustischen Verfremdungseffekten, die keinen anderen Sinn haben, als das Vergnügen zu multiplizieren. Und es funktioniert unglaublich gut.
Oder die Killer, die auf dem Münchener Oktoberfest Clouseau an den Kragen wollen und allesamt aus schierem Zufall versagen. Dreyfus´ ‚Folterszene’ mit dem Stahlhandschuh und der Schiefertafel. Das absurde Verhör im Wohnzimmer des Anwesens des Wissenschaftlers („Inspektor Clouseau hat gerade das Personal verstör… äh... verhört.“) Und natürlich: die Stelle, an der er versucht, in Dreyfus´ Burgfestung zu gelangen. Mit einem Enterhaken, mit dem Boot, mit einem langen Stab über den Burggraben. Nichts gelingt, natürlich.
Solche Szenen sind Handwerk, sie sind auch Kunst, aber eines sind sie ganz bestimmt nicht: banales Kino, nur weil man drüber lachen kann. Es sind geniale Choreographien des Chaos und des Scheiterns, ingeniös ausgearbeitet und furios inszeniert. Sellers dekonstruiert alles, was mit cineastischem Heldentum zu tun hat, vor allem in der Burgszene. Als Kind dachten man, es sei einfach, sich wie Tarzan mit Lianen durch die Fauna zu schwingen, wie Robin Hood über einen Bach in die Burg von König Richard zu stürmen oder wie Sherlock Holmes seine Zuhörer mit den schärfsten Scharfsinn zu verblüffen. Sellers zeigt uns: Das Seil kann zu kurz sein, der Bach zu tief, die Zuhörer gescheiter als man selbst. Und Clouseaus nicht mehr zu glaubende, comichafte Schusseligkeit, der auch gerissenste Killer nicht gewachsen sind, wirkt auch nicht heldenhaft. Aber das wäre auch nicht Sinn der Sache.
Der Auftritt von Omar Sharif als ägyptischer Auftragskiller ist kein bisschen komisch. Aber da er nicht in den Credits aufgeführt wird, war es wohl eher ein kleines Scherzchen. Lesley-Anne Down als russische Agentin Olga ist hingegen nur logisch. Keine Agentenfilmparodie kommt ohne schöne, gefährliche Frauen aus.
Und: zur Abwechslung ist mal der Originaltitel irreführend und schlecht überlegt. Denn um den rosaroten Panther, den Riesenklunker aus den Vorgängerfilmen, geht es nicht eine Sekunde lang. Der deutsche Titel hingegen trifft, vor allem mit den Anführungsstrichen, den Nagel auf den Kopf.
Peter Sellers, das weiß man mittlerweile, war ein äußerst schwieriger Mensch. Exzentrisch, getrieben, nicht selten verletzend. Manchmal sprachen er und Edwards am Set kein Wort mehr miteinander. Vier Ehefrauen und drei Scheidungen! Legte sich an einem Set mit Orson Welles an (dem Exzentrik weiß Gott nicht fremd war). Sein größtes Drama war vielleicht, dass ihm das, was die Menschen am meisten an ihm liebten, manchmal zum Hals raushing und bis zum Schluss verfolgte - bis er 1980 starb. Der Verwandlungskünstler sagte einmal, seine wahre Persönlichkeit, sein eigentliches Ich, hätte man ihm operativ entfernt. Und zu seiner berühmtesten Rolle entwickelte er erst recht eine Hassliebe, weil sie ihn auf das Fach des Holzhammerkomikers festzunageln schien – und ihn doch am besten ernährte. Besser dotierte Rollenangebote bekam er nie.
Fünf mal zog sich Peter Sellers Trenchcoat, Schlapphut und Schnurrbart an. Alle Lachmuskeln dieser Welt sagen dafür danke. Immer wieder.