Wir erinnern uns: Die Dokumentation
Cocaine Cowboys erzählte durch Interviews mit schillernden Figuren die Geschichte des Kokains als Wirtschaftsfaktor Nummer Eins für das damals verschlafene Nest Miami. Nach der Hochzeit der Droge, des Glamours und des Glanzes mit Leuten wie Jon Roberts brach Ende der 70er ein Drogenkrieg aus, in dem nicht zuletzt Griselda Blanco, die kolumbianische Schwarze Witwe ihre Finger im Spiel hatte. Mit angeblich über 200 Leuten auf dem Gewissen und einem milliardenschweren Vermögen durch den Drogenhandel gilt Blanco nicht nur als eine der gewalttätigsten, sondern auch erfolgreichsten Drogendealerinnen Amerikas. Diese Person war in Cocaine Cowboys 1 gegen Ende ein weiterer Aspekt, erfährt aber mit dem vorliegenden Film Cocaine Cowboys 2 – The Godmother eine eigene Dokumentation – oder etwa doch nicht?
Griselda Blanco ist sicherlich eine interessante Person, über deren Werdegang man auch gerne mehr erfahren würde. Leider ist dies nicht ohne weiteres möglich, da die meisten ihre Söhne tot sind, und ihre Mitarbeiter entweder ebenfalls nicht mehr am Leben oder im Gefängnis sind. Und von denen sagen die wenigstens aus, im Film nur der aus dem ersten Teil bereits bekannte Rivi, der hier allerdings weniger Infos zum Besten gibt. Blanco selbst wurde 2004 aus dem Gefängnis entlassen und nach Kolumbien abgeschoben. Das letzte bekannte Foto von ihr entstand im Mai 2007,
und stellt gleichzeitig das letzte Lebenszeichen da. Viele Leute gehen davon aus, dass sie einem Racheakt für ihre vergangenen Verbrechen zum Opfer fiel. Blanco selbst stand für diesen Film also nicht zur Verfügung, ebensowenig wie ihre Ehemänner – sie trägt nicht umsonst den Namen Schwarze Witwe. Dafür spürte Regisseur Billy Corben den ehemaligen Dealer Charles Cosby auf, der eine Zeit lang Blancos Liebhaber war und ausschweifend ihr Leben erzählt, das mit seinem eigenen über weite Strecken verknüpft ist. Und Cosby ist dann auch genau die deutlichste Ursache, warum Cocaine Cowboys 2 gegenüber dem Vorgänger fast auf ganzer Strecke versagt.
Man könnte schon stutzig werden, wenn zu Beginn ein schwarzer Dealer in epischer Länge über seine Kindheit, seine Jugend und seine ersten Drogendeals berichtet. Dies mag ja sicherlich recht interessant sein, hat aber mit Blanco recht wenig zu tun. Und erst als Blanco verhaftet wird, der Höhepunkt ihres millionenschweren Imperiums schon längst erreicht ist, erst dann kommt Cosby zum Thema, da er sie zum ersten Mal durch eine Nachrichtensendung über ihre Verhaftung von ihr hörte. Dabei verpasst es Cosby leider vollends, eine klare Struktur der zeitlichen Abläufe durch seine Erzählung darzustellen. Unterstützt – also im negativen Sinne – wird dies noch durch ständige Schnitte auf ein seltsames Homevideo (dazu gleich mehr), sowie erneut dem Mangel an Regisseur Corbens Fähigkeiten, Abläufe in einen durchschaubaren Kausalzusammenhang zu bringen. Diese Homevideo ist allerdings das größte Problem, und der größte Unterhaltungsfaktor, an der Sache. In Cosbys Erzählung, die sich über Jahre hinwegstreckt, wird immer wieder auf dieses Homevideo geschnitten, dass die Aussagen untermauert. Das Problem das ich damit habe: es wird zu keinem einzigen Zeitpunkt auch nur angedeutet, wann und zu welchem Zwecke dieses Video entstanden ist. In dem Video spricht Cosby scheinbar zu Griselda (also in die Kamera), wie er sich fühlt, wie er von ihr gehört hat, aber er nimmt scheinbar auch auf das Ende ihrer Liebe Bezug. Es ist also völlig unklar, aus welcher Zeit dieses Video stammt, so dass es irgendwo die Glaubwürdigkeit von Cosby nicht im geringsten untermauert.
Dafür ist es einfach herrlich anzuschauen. Der Afro-Amerikaner Charles Cosby, der in den normalen Interviews mit recht zurückhaltendem Bling-Bling-Style in dicken Autos durch die Gegend fährt, sitzt hier in einem billigen Trainingsanzug auf einem Sofa, Kappe auf dem Kopf, und dahinter lassen sich lange Haare – also keine Dreadlocks, sondern wirklich lange Haare ausmachen, was im gesamten Bild einfach zum Schießen aussieht. Ansonsten ist dieser Teil leider bei weitem nicht so spannend oder amüsant wie Cocaine Cowboys 1, da es auf weiten Strecken einfach an eine kitschige Liebesromanze erinnert. Dazu kommt der unglaubwürdige Erzähler Cosby, der behauptet, Griselda hätte bei seinen wöchentlichen Besuchen die Gefängniswärter geschmiert um mit ihr Sex zu haben, eine Aussage, die von keiner anderen Person auch nur ansatzweise aufgegriffen wird. Andererseits hatte er ja schon in seiner Hochzeit als Dealer die dicksten Autos, die hübschesten Frauen und das meiste Geld. Selbst als er Griselda besuchte, steckte ihm ein unbekanntes hübsches Mädchen einfach so ihre Nummer zu, woraufhin er eine Affäre mit ihr begann. Und als er sich zum ersten Mal mit dem Staatsanwalt traf, um über Griselda auszusagen, stieg sogleich des Staatsanwalts Sekretärin mit ihm noch am gleichen Abend ins Bett. Insofern kann man Cocaine Cowboys 2 über weite Strecken nicht als Dokumentation über Griselda Blanco, sondern weitgehend unglaubwürdige Selbstdarstellung eines Kriminellen sehen, ohne je den augenzwinkernden Schalk eines Jon Roberts aus dem ersten Teil zu erreichen.
Mit zunehmender Laufzeit bricht der Film dann aber vollends zusammen, und mündet ihn einer fatalen Moral, wo doch schon der erste Teil einen fahlen Beigeschmack der Drogenverherrlichung hinterließ. Ich habe ja schon weiter oben geschrieben, dass man stutzig werden kann, als Cosby über sein Super-Leben als Dealer berichtet, mit vielen Frauen, Autos und noch mehr Geld. Richtig stutzig wird man dann bei einem weiteren Interviewpartner (wer genau das ist bleibt ähnlich wie im ersten Teil unaufgeklärt), der nicht etwa allein auf einer Couch sitzt, sondern hinter ihm stehen noch ca. sechs weitere Homies. Und wenn dann Cosby die Erzählung eines Überfalls mit einer auf die Kamera gerichteten Maschinenpistole untermauert, muss man sich doch fragen, ob man nun eine Dokumentation oder eine ungeschickte und plumpe Selbstinszenierung sieht. Die Erkenntnis kommt dann, wenn scheinbar sämtliche Freunde von Cosby völlig ungeschoren für ihre kriminelle Geschichte davon kamen, und am Ende des Films auf der Straße mit Waffen posieren, etwas von Ehre, „Wir schützen uns gegenseitig“, „xy-Stadt for life“ usw. von sich geben, dann weiß man: Shizzle ma nizzle, Gangster for life, aber mit einer seriösen Dokumentation über Griselda Blanco hat das ganze eigentlich überhaupt nix zu tun. Sondern viel mehr mit Verherrlichung von Kriminalität, Drogen und einem äußerst fragwürdigen Lebensstil.
Die DVD kann dafür wieder erzeugen, und erneut kommt sie von Ascot Elite, vielen Dank für das Rezenionsexemplar an dieser Stelle. Bild ist wieder gut, die Farbfilter kündigen auch quasi schon die Ästhetisierung des Ganzen an. Die Synchro kann mit bekannten und gern gehörten Stimmen überzeugen, und auch Bonusmaterial gibt es wieder.
Aber sorry, der Film geht als Dokumentation leider überhaupt nicht. Das war nix. Mit Hängen und Würgen, und dank der hübschen Zeichentricksequenzen (die in einer Dokumentation aber irgendwie tierisch überflüssig erscheinen) reichts grad noch so für 3 Sterne.
Lieber nochmal Teil eins anschauen. Der ist nämlich ziemlich gut.