PORN IN GERMANY
Das kommt auch nicht alle Tage vor: Filmgewordene Schlüpfrigkeit aus deutschen Landen nimmt die Pornobranche (!) auseinander und gerät nebenbei zum frech-amüsanten Zeitvertreib.
Na sowas!
Das hat sie nicht kommen sehen: Durch Zufall erfährt die 17-jährige Lucy (Gloria Endres de Oliveira) nicht nur, dass ihre Mutter (Jasmin Tabatabai) ein ehemaliger Pornostar ist – das Mädchen soll zu allem Überfluss auch noch bei einem der besagten Drehs gezeugt worden sein. Kurzentschlossen begibt sich Lucy auf die Suche nach ihrem unbekannten Vater und stößt dabei auf Udo Ochsenschwanz (André M. Hennicke), einen der ehemaligen Sexpartner ihrer Mutter und mittlerweile abgehalfterten Live-Sex-Protagonisten in St. Pauli, der sich nach einigem Hin und Her (und nicht ohne Hintergedanken) bereiterklärt, eingeschlafene Kontakte wieder aufleben zu lassen.
Es ist schon recht mutig, einen Debütfilm im Pornomilieu anzusiedeln. Es sei denn natürlich, man arbeitet bereits im Pornomilieu und kennt das Geschäft. Auf den gebürtigen Aschaffenburger
Benjamin Teske, der mit
STRAWBERRY BUBBLEGUMS ein Drehbuch von
Cherokee Agnew verfilmte, trifft dies nicht zu. Daher ist es umso erstaunlicher, dass sich seine pornös angehauchte
Coming of Age-Roadmovie-Geschichte um eine unschuldige Teenagerin und einen schmierigen Ex-Pornostar in ihren 90 Minuten Spielzeit weder <
i>zu gewollt provokant noch
zu dreckig anfühlt. Im Gegenteil: Trotz eines zum Teil doch recht schonungslosen Blicks hinter die Kulissen einer Branche, die manch einer freilich nur vom Hörensagen kennt, ist Teskes Film im Kern immer noch eine leichtfüßig-verspielte Komödie mit einigen Drama-Einschüben, in der der Mensch immer noch Mensch bleibt und nicht zur bloßen Fleischbeschau verkommt. Auch wenn es davon selbstredend Einiges (in zensierter Form) zu sehen gibt.
Dass der Film in diesen Momenten kein Blatt vor den Mund nimmt, sondern das dreckige Geschäft mit dem menschlichen Körper als eine so anzüglich wie absurde Charade präsentiert, die sich auch gerne mal in den engen Hinterräumen eines Gemischtwarenladens abspielt, ist mutig, aber effektiv, treibt sie doch Lucy an den Rand des für sie Erträglichen, während der gefallene Stern Udo sich so langsam ernsthaft fragt, ob er als gealterter Mittfünfziger überhaupt noch hierher gehört. Selbstzweifel in einer entrückten Parallelwelt. Und plötzlich werden die großen Themen des Lebens in den Fokus gerückt, die von Vatergefühlen über unerfüllte Lebensträume bis hin zu gestörten Mutter-Tochter-Verhältnissen so ziemlich alles aufbieten, was auch nur annährend in diese Sparte passt.
Leider lässt es sich hier quasi nicht vermeiden, altbekannte Genre-Klischees zu bedienen, und auch Teskes Film kann sich davon nicht völlig freisprechen. Geschenkt. Denn es gelingt ihm dennoch überwiegend, ein schweres Tabu-Thema mit leichter, ironischer Komödienkost zu verquirlen, ohne dass dies sonderlich inkohärent wirkt. Dies liegt vor allem in dem Umstand begründet, dass Teske mit der bezaubernden
Gloria Endres de Oliveira und dem jüngst für seine Rolle mit dem Oldenburger
Seymour Cassel Award ausgezeichneten
André M. Hennicke zwei Hauptdarsteller zur Verfügung standen, die vollkommen authentisch in ihren jeweiligen Rollen aufgehen. Die mit
Jasmin Tabatabai ebenfalls prominent besetzte Nebenrolle der dann doch gar nicht so prüden Mutter ist da nur noch das Sahnehäubchen auf diesem extravagant-schrägen, aber auch angenehm charmanten
Strawberry Bubblegum-Kuchen, der nicht allen schmecken wird, dies aber auch gar nicht muss. Denn Anbiederung hat Benjamin Teskes gelungenes Debüt bei diesen Vorzeichen überhaupt nicht nötig. Recht so!
Fazit: Und die Moral von der Geschichte: Jeder Mensch ist zeit seines Lebens auf der Suche und findet dabei am Ende bestenfalls zu sich selbst. Denn nur das zählt wirklich. Der Rest ist nicht mehr als nette Dreingabe zu einem fortwährenden Roadtrip auf der langen Straße des Lebens, die zuweilen auch mal in knalligen Erdbeerfarben daherkommen kann.
Information zum Schluss: Die
Free-TV-Premiere der Nordlichter-Komödie findet am Donnerstag, 03. November 2016, von 22:00 bis 23:30 Uhr im NDR Fernsehen statt.