„I always believed it was the things you don't choose that makes you who you are. Your city, your neighborhood, your family. People here take pride in these things, like it was something they'd accomplished. The bodies around their souls, the cities wrapped around those.“
Ben Affleck gehört wohl zu diesen Schauspielern, die von nicht gerade wenigen Kinogängern und Kritikern als talentlose Schönlinge bezeichnet werden. An diesen Meinungen ist der Mime allerdings auch nicht völlig schuldlos – zumindest wenn man an seine sehr lieblosen Performances in 08/15-Streifen wie Michael Bays „Pearl Harbor“ (2001) und John Woos „Paycheck“ (2003) zurückdenkt. Nun muss man natürlich auch im Hinterkopf behalten, dass auch ein begabter Schauspieler finanziell über die Runden kommen muss, und dies oftmals nicht mit kleinen aber feinen Independent-Filmchen gelingt, da diese eben selten soviel Gewinn abwerfen wie ein großer Hollywood-Brummer. Auch Affleck hat sich ohne Zweifel oftmals für solche Schmalspurproduktionen, wie z.B. die zuletzt genannten, hergegeben und hat nebenbei durch seine Ehe mit „Jenny From The Block“-Lopez auch nicht gerade positive Schlagzeilen für seine Fans hervorgerufen.
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Nun hat seine Geschichte, wie eigentlich jede andere auch, zwei Seiten, denn man darf nicht vergessen dass der Schauspieler zuvor auch in Kevin Smiths hervorragender Komödie „Chasing Amy“ (1997) mit einer tollen Darstellung geglänzt und zusammen mit seinem Kumpel Matt Damon das Oscar-prämierte Drehbuch zu Gus Van Sants Meisterwerk „Good Will Hunting“ (auch 1997) verfasst hat, in welchem er zudem auch in einer Nebenrolle zu sehen ist.
Nachdem er für seine Rolle als erster „Superman“-Darsteller George Reeves in Allen Coulters „Die Hollywood-Verschwörung“ (2006) mehrere Auszeichnungen einheimsen konnte, und sogar für den Golden Globe als „Bester Hauptdarsteller“ nominiert gewesen ist, hat Affleck bei „Gone Baby Gone“ zum ersten Mal bei einer Großproduktion auf dem Regiestuhl Platz genommen.
Der Roman, der die Vorlage zu dieser eindringlichen Mischung aus Drama und Thriller geliefert hat, stammt aus der Feder von Dennis Lehane, das zudem Ben Afflecks erklärtes Lieblingsbuch ist. So finden die Bücher des genannten Autoren langsam auch vermehrt Anklang bei der Filmindustrie: Zuvor hat sich Clint Eastwood mit seinem hochgelobten „Mystic River“ (2003) an einem Roman Lehanes versucht, und als nächstes will Martin Scorsese mit Leonardo diCaprio in der Hauptrolle dessen Psychothriller „
Shutter Island“ auf die große Leinwand bringen.
Bei „Gone Baby Gone“ merkt man dem Regisseur Ben Affleck an, dass er in der Gegend um Boston aufgewachsen ist, wo die Geschichte angesiedelt ist. So hat er auch zuvor nie einen Hehl daraus gemacht, dass sein Herz an eben dieser Ecke hängt: Auch das Drehbuch zu „Good Will Hunting“ hat zum Beispiel das raue aber dennoch leidenschaftliche Leben dort beschrieben.
Als Hauptdarsteller hat er seinen jüngeren Bruder Casey Affleck besetzt, der zuletzt auch in „
Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford“ zu sehen gewesen ist, für welchen er sogar eine Oscar-Nominierung als „Bester Nebendarsteller“ erhalten hat. Obwohl der Roman für diese Rolle einen älteren Schauspieler vorgesehen hätte, war diese Wahl letztendlich definitiv die richtige. Mehr noch: Eigentlich ist Ben Affleck trotz einiger großartiger Leistungen nie so gut gewesen wie sein Bruder, der sich in der Vergangenheit eher durch Nebenrollen über Wasser gehalten hat.
„When I was young, I asked my priest how you could get to heaven and still protect yourself from all the evil in the world. He told me what God said to His children. "You are sheep among wolves. Be wise as serpents, yet innocent as doves."
Das Privatermittler-Pärchen Patrick Kenzie (Casey Affleck) und Angie Gennaro (Michelle Monaghan, „
Nach 7 Tagen ausgeflittert“) wird von dem Ehepaar McCready (Amy Madigan & Titus Welliver) beauftragt, ihnen bei der Suche nach ihrer vermissten, vierjährigen Nichte Amanda zu helfen. Die Polizei tappt bei dem Fall scheinbar im Dunklen, und die McCreadys sind der Meinung, dass die beiden aufgrund ihrer Verbundenheit zu den teils kriminellen Menschen des armen Bostener Viertels mehr erreichen könnten, als die uniformierten Polizisten. Amandas Mutter Helene (Amy Ryan) ist das, was der Amerikaner gerne umgangssprachlich als „White Trash“ bezeichnet: verarmt, heruntergekommen, vulgär und Drogen-abhängig.
So ist es auch nicht verwunderlich, dass die ersten Spuren von Patrick und Angie, die trotz mangelnder Begeisterung über ihre Beauftragung von Seiten des alten Polizeichefs Captain Doyle (Morgan Freeman, „
Sieben“, „
Batman Begins“)Unterstützung in Form seiner beiden Beamten Remy Bressant (Ed Harris, „
The Rock - Fels der Entscheidung“, „Im Vorhof der Hölle“) und Nick Poole (John Ashton) zugesichert bekommen, sehr bald in die Drogenszene der Gegend führen…
Ben Affleck ist mit seinem ersten richtigen Kinofilm hinter der Kamera gleich ein richtiger Volltreffer geglückt, denn „Gone Baby Gone“ lebt sowohl von den sehr überzeugenden Darbietungen der Schauspieler, als auch von dem großen Können des Regisseurs.
Es ist wirklich eine Schande, dass die Academy den Film 2008 mit gerade mal einer einzigen Nominierung (Amy Ryan als „Beste Nebendarstellerin“) abgespeist hat, obwohl er zweifelsohne trotz starker Konkurrenz auch Chancen für die großen Trophäen gehabt hätte. Casey Affleck ist ja bereits als „Bester Nebendarsteller“ für seine Rolle als Robert Ford in „Jesse James“ nominiert gewesen, ansonsten hätte sich von den Schauspielern auch Ed Harris als harter Detective mit weichem Kern für eine Auszeichnung angeboten. Besonders prägnant sind zusätzlich die tolle Kameraführung vom bereits zweifachen Oscar-Preisträger John Toll („Legenden der Leidenschaft“, „Braveheart“) und der melancholische, in Verbindung mit der Erzählerstimme Casey Afflecks geradezu Gänsehaut-erzeugende, Soundtrack von Harry Gregson-Williams („
Number 23“, „
Domino“) in Erinnerung geblieben.
Der Regisseur zeichnet hier das Bild einer harten Wohngegend, ohne diese jedoch in irgendeiner Form zu dämonisieren, sondern sie – im Gegenteil – von ihrer realen Seite und in teils sogar wundervollen Aufnahmen darzustellen. Man spürt, dass dies kein kalkulierter, schnell heruntergekurbelter Film geworden ist, sondern dass ein großer Teil von Afflecks Herzblut in das Projekt geflossen ist. Zudem spricht er in „Gone Baby Gone“ ein durchaus sehr aktuelles Thema an – so hat der reale Fall der vermissten Madeleine McCann den geplanten englischen Starttermin ein halbes Jahr nach hinten geschoben.
Das Werk ist zugleich ein spannender und teils harter Straßen-Thriller als auch ein mitreißendes, schwermütiges Drama geworden, das zudem ein Plädoyer dafür ist, mehr auf seine Kinder zu achten. So entlässt einen Affleck nicht mit einer schnöden und einfachen Auflösung der Geschichte, sondern verlangt von dem Zuschauer, einmal selbst über das Gesehene nachzudenken. Der Schluss wird so einige Leute verständnislos und verdutzt zurücklassen und anderen wiederum ein positives Nicken entlocken – das hängt eben von dem jeweiligen Standpunkt ab.
Insofern bleibt am Ende nur noch einmal hervorzuheben, dass es sich bei „Gone Baby Gone“ um einen großen Film, ein Meisterwerk, handelt, das selbst Clint Eastwood mit Sicherheit nicht in dieser Form so hinbekommen hätte!