„You can dance any steps you like! But that doesn't mean you'll win.”
Meine Damen und Herren, Vorhang auf für einen der eigenwilligsten Regisseure unserer Zeit:
Baz Luhrmann. Der 1962 geborene Australier machte sich vor allem durch seine bildgewaltige, berauschende Interpretation von „William Shakespeares Romeo + Julia“ [1996] und das im Anschluss gedrehte opulente Musical-Drama „
Moulin Rouge!“ [2001] einen weltweit bekannten Namen, dabei liegt der Anfang seiner Karriere noch einige Jahre weiter zurück in der Vergangenheit. Denn die beiden zuvor genannten Werke markieren lediglich die Teile 2 und 3 der von Luhrmann erdachten sogenannten
Roter Vorhang-Trilogie, die im Jahre 1992 mit einer kleinen, aber überaus feinen Komödie über die Leidenschaft, die zwei Menschen auf dem Schwingparkett des Lebens eint, ihren gelungenen, vielversprechenden Anfang nehmen sollte.
„STRICTLY BALLROOM“ erzählt die turbulente Geschichte des aufstrebenden Tänzers Scott Hastings (Profi-Tänzer Paul Mercurio), dessen Mutter und Tanzlehrerin (Pat Thomson) sich nichts sehnlicher wünscht, als ihre „Startnummer 100“ ganz oben auf dem Siegertreppchen des berühmten
Pan Pacific Grand Prix stehen zu sehen. Doch ein Vorturnier führt den tanzbegeisterten Elternteil mitsamt der anwesenden Jury um Verbandspräsidenten Barry Fife (Bill Hunter)
an den Rande der Verzweifelung: unerwartet beginnt Scott nämlich während eines Tanzes zu improvisieren und nicht regelkonforme neue Schrittfolgen darzubieten. Die Strafe folgt auf dem Fuße: neben dem Ausschluss vom Turnier sagt sich auch seine Tanzpartnerin von ihm los, was den jungen Tänzer in eine tiefe Sinnkrise stürzt. Einzig die unscheinbare Fran (Tara Morice) findet Gefallen an dem nunmehr als skandalträchtig betitelten „Rebellen“ und bietet, sehr zur Überraschung Scotts, an, beim anstehenden großen Turnier mit ihm zusammen „gegen alle Regeln“ tanzen zu wollen. Doch dazu müsste Fran erst einmal innerhalb kürzester Zeit zum Tanzprofi werden…
Beim Lesen der kurzen Inhaltsangabe drängen sich zwar zunächst Vergleiche mit dem wohl populärsten aller Tanzfilme „
Dirty Dancing“ [1987] auf; dies wäre jedoch bei genauerer Betrachtung in etwa gleichzusetzen mit der altbekannten Krux, dass sich Äpfel und Birnen schlichtweg nicht auf einen gemeinsamen Nenner reduzieren lassen. Denn so liegt der Fall hier: war die Geschichte von Johnny und Baby in erster Linie noch eine Romanze, die tunlichst darauf bedacht war, jeden Anflug von Kitsch mit zugegeben teils übertriebenem Ernst zu kaschieren, tänzelt Baz Luhrmanns
„STRICTLY BALLROOM“ eher auf subversiv-ironischer Ebene und spielt sich in gewisser Hinsicht zu seiner eigenen Parodie auf, ohne in irgendwie gearteter Weise verletzend oder gar herabwürdigend zu sein. Jeder Witz ist hier kalkuliert, jeder Lacher gewollt und bewusst eingebaut, was den Einstieg in diesen etwas anderen, schrillen Tanzfilm am Anfang vielleicht ein wenig erschwert, gegen Ende aber mit Sicherheit zu einem überaus erfrischenden Seherlebnis führt, das sich wahrlich nicht vor dem des ungleich erfolgreicheren Kultfilms von 1987 verstecken muss.
Denn auch hier stehen genaugenommen zwei Liebesgeschichten im Vordergrund des Geschehens, wobei
„STRICTLY BALLROOM“ im direkten Vergleich zu „Dirty Dancing“ die Liebe zum Tanzen sogar noch deutlicher hervorhebt. Ironischerweise gelingt dies gerade durch die bewusst parodierende Verpackung, die die meisten der beteiligten Akteure als regelrechte Fanatiker darstellt, hervorragend, da die Liebe zum gemeinsamen Träumen mit den Beinen nunmehr im ehrgeizigen Auftreten – allen voran Scotts Mutter – sichtbar wird, getreu dem Motto: kein Lohn ohne (harte) Arbeit. Oder wie Carlo Labin einst so schön hinsichtlich des Tangos sagte: „Das sind zwei ernste Mienen und vier
Füße, die sich amüsieren.“ Anspannung auf der einen, Spaß auf der anderen Seite. Bezeichnenderweise entpuppt sich der im Film allgegenwärtige, so prestigeträchtige und toll klingende
Pan Pacific Grand Prix lediglich als Regional-Amateurmeisterschaft, was aber keinen der Tänzer auch nur annähernd davon abhält, der Teilnahme an dieser – dem Höchsten der Gefühle – folgenschweren Einzug in die Alltagsplanung zu gewähren. Völlige Hingabe an die Musik, striktes Befolgen von Regeln: all dies ist in der kleinen eigenen Welt, die Baz Luhrmann erschafft, schon längst selbst zur Regel geworden. Klar, dass es da nur eine Frage der Zeit bleiben sollte, bis sich jemand erfolgreich mit neuen Ideen und klugem Kopf gegen dieses System auflehnen würde.
Indem gezeigt wird, wie zwei sich einander nahestehende Individuen gegen allzu strikte Reglementierung aufbegehren, wandelt sich die Satire nun plötzlich zur äußerst ernsthaften und niveauvollen Auseinandersetzung mit einer Welt, die der unsrigen gar nicht so fern liegt. Ein Gegenentwurf im Kleinen, geboren aus dem glatten Parkett des uns umgebenden Lebens, welches dem ein oder anderen schon einmal gehörig auf der Nase herumtanzt. So gestaltet Luhrmann auch die obligatorische Liebesgeschichte als zunächst von Problemen gekennzeichnete Angelegenheit, nur um am Ende doch dem vielfach bemühten happy ending ein Zugeständnis zu bereiten. Kompromisse sind schließlich dazu da, um eingegangen zu werden. Ein Schelm jedoch, wer denkt, dass gegen Ende einzig und allein die vielfach besungene Liebe in der Luft liegt. Diese ist lediglich
ein Faktor im vielschichtigen Filmdebüt Baz Luhrmanns, das sowohl als bissige, nichtsdestotrotz liebevolle Satire, zu Herzen gehendes Liebesdrama als auch reiner, mitreißend-schwungvoller Tanzfilm überzeugt.
„STRICTLY BALLROOM“ ist die äußerst gelungene Dekonstruktion eines kompletten Genres auf der einen und eine liebevolle Huldigung an den Tanzsport auf der anderen Seite. Von einem Mann inszeniert, der selbst Jahre in besagter Szene tätig war, ist der Film, alles zusammengenommen, Ausdruck des puren Spaßes an der Freude. Wenn selbst vormals Verbissene plötzlich bedächtig im Takte der Musik schunkeln, ohne auch nur einen Gedanken an irgendein Regelwerk oder korrekte Armhaltung zu verschwenden, zeigt sich in aller Deutlichkeit, dass einige Regeln wohl schlicht und ergreifend nur aus dem Grund aufgestellt wurden, um schlussendlich doch gebrochen zu werden. Manche Sachen darf man eben nicht so ernst sehen. In dem Sinne:
Darf ich bitten?