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You Don't Know Jack

You Don't Know Jack

Ein Film von Barry Levinson

Spontan würden wahrscheinlich jedem einige brisante Themen einfallen, deren filmische Abhandlungen interessant ausfallen könnten. Als heikel erweisen sich beispielsweise immer wieder Filme mit Terrorismushintergrund und sei es nur mit geschichtlichem Hintergrund, wie der aktuell aufgrund des Amoklaufs bei der „The Dark Knight Rises“-Premiere verschobene „Gangster Squad“ leider mal wieder beweist.
Ähnlich verhält es sich bei Stoffen, in denen es um Aspekte der Rechtslage geht. So gibt es diverse Filme z.B. zur Todesstrafe.

Ein ganz anderer Aspekt ist die Sterbehilfe. Es ist ein Thema, zu dem wahrscheinlich jeder seinen Standpunkt hat und ihn auch entsprechend begründen kann. Es ist aber auch ein Thema, welches gesetzlich festgelegt ist. So ist Sterbehilfe in vielen Ländern verboten und oft hetzerisch und voreilig sogar als Mord verkannt.

Dr. Jack Kevorkian, amerikanischer Pathologe, infizierte sich bei seinen Forschungen zu Bluttransfusionen mit Hepatitis C. In ihm keimte der Gedanke, dass es das Recht eines jeden Menschen ist, selbst bestimmen zu können, wie vielen Schmerzen man sich aussetzt und wann man dem ein Ende setzen möchte.
Eigenen Angaben zufolge leistete Kevorkian daraufhin in mehr als 130 Fällen aktive Sterbehilfe. Er baute eine Infusionsvorrichtung, die die Patienten selbst betätigen konnten, wenn sie sich so weit fühlten. Sie ha
ben also stets selbst jene Aktion ausgeführt, die dann zum Tod führte. Kevorkian war dafür mehrmals angeklagt, wurde mehrmals freigesprochen. Aus diesen Problemen heraus, die das mit sich brachte, beschloss er, einen juristischen Präzedenzfall zu kreieren und gestattete einem TV-Sender, ein Video auszustrahlen, auf dem zu sehen ist, wie Kevorkian einem unheilbar kranken Patienten mit Todeswunsch, aber völliger Muskellähmung, eine tödliche Injektion verabreicht. Dafür erhielt er 1999 trotz aller Bemühungen, auch seitens der Angehörigen der Patienten, die Höchststrafe von 10 bis 25 Jahren Gefängnis. Aufgrund seiner geringen Lebenserwartung durch die Hepatitis-Erkrankung wurde er 2007 bereits entlassen und verstarb im Jahre 2011.

„You Don’t Know Jack“ zeigt nun Al Pacino in der Rolle des so genannten „Dr. Death“ und es ist ein absoluter Triumph: Nicht nur ist die Physiognomie erstaunlich, Pacino kann in dieser Rolle endlich mal wieder zeigen, welch ein begnadeter Charakterdarsteller er ist. Zu Recht gewann er für die Rolle zahlreiche Preise, darunter den Golden Globe. Und der Rezensent ist überzeugt: Hätte es sich nicht um eine HBO- und damit TV-Produktion gehandelt, hätte Pacino wieder gute Chancen auf eine Oscar-Nominierung gehabt.
Auch das restliche Personal des Films prädestiniert einen Film wie diesen eigentlich für eine Kinoauswertung. Auf dem Regiestuhl saß Barry Levinson („Rain Man“, „Sleepers“, „Wag the Dog“), in Nebenrollen brillieren Stars wie Susan Sarandon („Begierde“, „Atlantic City, USA“, „Thelma & Louise“), John Goodman („The Big Lebowski”, “Barton Fink”) und Danny Huston („Der ewige Gärtner“, „21 Gramm“) ebenso wie weniger bekannte Gesichter wie Brenda Vacarro („Asphalt Cowboy“).

You DonYou DonYou Don

„Richtigen“ Hollywood-Produktionen steht der Film dann auch in absolut nichts nach. Die akkurate und aufs Wesentliche konzentrierte Regie Levinsons, ein Drehbuch Adam Mazers, das nicht nur den Hauptprotagonisten präzise zeichnet, sondern auch Nebenfiguren genügend Profil gibt und die Entscheidung, verschiedene Bildquellen und –formate für die Patienten- und TV-Einspielungen zu nutzen, lassen den Film zu keiner Sekunde uninteressant werden.
Im Gegenteil: Es ist atemberaubend, zuzusehen, wie Pacino als Kevorkian über seine Beweggründe spricht, es ist teilweise herzzerreißend, mitanzusehen, wie sich Liebende ein letztes Mal verabschieden, und es ist absolut interessant, sich stets und ständig selbst mit dem Thema in all seinen Facetten auseinanderzusetzen.
Dabei haben einige Szenen eine zunächst merkwürdige Aura, etwa wenn Kevorkians zugesicherter Platz, um dem Patienten behilflich zu sein, kurzfristig abgesagt wird und er alles für die Durchführung in einem alten VW-Bus herrichten muss, der völlig entlegen im Wald geparkt wurde. Wie „Patientin # 1“, wie der Film jedes Mal sehr schön inkl. Vor- und Zunamen einblendet, neben Kevorkian in diesem liebevoll mit Decken ausgelegten VW-Bus an der Strippe zieht, die die Injektion einleiten wird, und im Anschluss entschwindet, ist nicht sonderlich pathetisch inszeniert, und doch rührt es einen gerade durch diese karge, intensive Darstellung zutiefst.
Dabei sind es stellenweise vor allem die intensiven Szenen mit den bereits erwähnten Patientenaufnahmen, in denen Kevorkian sie nach ihrer Befindlichkeit und ihren Wünschen fragt. Wenn er bei Ansicht des Filmmaterials, konsequent in minderer DV-Kameraqualität gehalten, besonderes Augenmerk auf die Reaktionen der Patienten legt, deren leere Augen Bände sprechen, ist das immer und immer wieder ein Gänsehautmoment. Hier wurde bewusst auf plumpe Effekthascherei verzichtet und das war eine gute Entscheidung, denn die Patientenvideos sind so, wie sie sind, ergreifend.

Natürlich lässt der Film auch die Kontroverse nicht außen vor, die der Fall damals auslöste. Aktivisten versammelten sich vor Kevorkians Haus, um zu protestieren. Mit den gleichen Mitteln schlug er vor Gericht zurück, als er als zum Tode Verurteilter Inquisitor im Gericht erschien, um die Rückständigkeit der Rechtslage bezüglich der Sterbehilfe aufzuzeigen.
Dass dieser Einsatz dafür keineswegs ein spontaner Einfall an einem heiteren Silvesterabend war, das beweist auch ein, man kann es nicht oft genug erwähnen, durchweg brillanter Pacino in den Szenen, wenn Kevorkian zeitweise im Gefängnis sitzt und jegliche Nahrung verweigert, bevor er Tage später im Rollstuhl in den Gerichtssaal zur weiteren Anhörung gefahren werden muss.

Nun ist „You Don’t Know Jack“ im Ganzen kein außergewöhnlich neuartiger Film. Allerdings bietet er viele Gründe, die ihn sehenswert machen und für die er sich hier die volle Bewertung verdient: Den besten Al Pacino seit Jahren, ein interessantes und kontroverses Thema, ein präzises Drehbuch mit herausragenden Dialogen sowie gut geschriebenen Figuren und eine in jeder Hinsicht gelungene Inszenierung, und das schließt auch die Videos der Patientenbefragungen mit ein, die absolut authentisch sind.

Bereits 2010 entstanden, bleibt natürlich die Frage offen, weshalb es solch ein Film, der in diversen Ländern, oft auch Europa, bereits veröffentlich wurde, nicht nach Deutschland schafft. Einzig der Sender TNT, der über Sky zu empfangen ist, sendete den Film bisher.
An HBO wird es kaum liegen, schließlich kamen auch Produktionen wie „Angels in America“ (ebenfalls mit Pacino und von HBO) ohne größere Verzögerung zu uns.
Aber vielleicht ist man da ja wieder bei dem Punkt mit der Thematik angelangt.
Schließlich ist Sterbehilfe auch in Deutschland ein heikles Thema…

Eine Rezension von Sebastian Walther
(01. November 2012)
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Daten zum Film
You Don't Know Jack USA 2010
(You Don't Know Jack)
Regie Barry Levinson Drehbuch Adam Mazer
Produktion HBO Kamera Eigil Bryld
Darsteller Al Pacino, Susan Sarandon, John Goodman, Danny Huston, Brenda Vaccaro
Länge 134 Minuten FSK -
http://www.imdb.de/title/tt1132623/
Filmmusik Marcelo Zavros
Bis auf eine TV-Ausstrahlung auf dem Sky-Sender TNT erhielt der Film in Deutschland bisher leider keine Veröffentlichung. Genügend ausländische DVDs, beispielsweise aus Frankreich (gleicher Ländercode), stehen als Alternative jedoch bereit, beinhalten allerdings nur die englische OV bzw. diverse andere Sprachfassungen.
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