„
Die Kunst darf alles“, hieß es einmal. Dass dieser Aphorismus wohl doch eher auf einer kämpfenswerten Utopie basiert und die Freiheit der Kunst keine Selbstverständlichkeit ist, wird innerhalb der Filmbranche so gut wie jeden Tag aufs Neue bewiesen: Die Zensurkultur dieser Maschinerie läuft fortwährend auf Hochtouren und zu eigenwillige Vorschläge aufstrebender Künstler werden verworfen, stattdessen dürfen wir unsere Sinne bei der nächsten konfektionierten Comic-Verfilmung betäuben lassen: Bombast lautet das Credo. Opium für ein Volk, welches nicht sehen darf, was ihm rechtmäßig zusteht. Aber zurück zur eingangs zitierten These: Die Kunst darf alles. Darf sie wirklich alles? Oder gibt es Grenzen, die sich in bestimmten zeitgeschichtlichen Momenten auftun und die es unbedingt zu wahren gilt? In diesen Tagen, in denen die Welt durch islamistischen Terror wiederholt erschüttert wurde, bekommen Filmemacher den wirtlichen Nährboden spendiert, um die allgemeine Unruhe in brodelnde Schreckensvisionen zu kanalisieren und anschließend auf die Leinwände zu projizieren.
Angst ist der Schlüssel. Angst ist das effektivste Mittel, dem sich das Katastrophenkino bedienen kann. Und um diese Angst zu stimulieren, ist es vonnöten, Brücken zwischen Fiktion und Realität zu schlagen. „London Has Fallen“ von Babak Najafi („Sebbe“) offenbart eine Möglichkeit, wie diese ausbeuterische Praktik vonstatten gehen könnte und operiert ganz gezielt
mit der Ikonographie des modernen Terrors. Nachdem der britischen Premierminister unter mysteriösen Bedingungen sein Leben lassen musste, versammeln sich die führenden Staatsoberhäupter der westlichen Welt anlässlich seiner Trauerfeier in London. Die Beerdigung wird als das am stärksten gesicherte Ereignis aller Zeiten beschrieben – und, wie auf dem Fuße, wird genau diese Aussage pulverisiert, als sich London innerhalb weniger Wimpernschläge in ein regelrechtes Schlachtfeld entpuppt. Sprengsätze detonierten, eine Anschlagsserie zeichnet eine Schneise der Zerstörung durch Englands Hauptstadt. Die Terroristen sind als königliche Hofgardisten unterwegs. Menschen schreien um ihr Leben, Orientierungslosigkeit macht sich breit und auch die bevollmächtigten Vertreter ihrer Nationen müssen sterben.
Natürlich geht es dem Präsident der Vereinigten Staaten (Aaron Eckhart, „
The Dark Knight“) nicht an den Kragen, jedenfalls nicht in letzter Konsequenz. Und hier kommt Mike Banning (Gerard Butler, „
300“) ins Spiel, das Aushängeschild der Personenschutzabteilung des Präsidenten, der schon im Vorgänger, dem „
Stirb langsam“-Epigonen „Olympus Has Fallen“ von Antoine Fuqua, unter Beweis gestellt hat, dass er mit Terroristen kurzen Prozess macht. Banning ist inzwischen Vater, möchte seinen Dienst quittieren, muss aber noch einmal zeigen, dass sich Amerika nicht unterkriegen lässt. Auch nicht in London! Interessant an „London Has Fallen“ sind zumindest die Hintergründe, die zu dem verheerenden Anschlägen geführt haben, wurde doch zwei Jahre zuvor eine Familienfeier vom Waffenhändler Aamir Barkawi (Alon Aboutboul) durch einen Drohnenangriff vollständig zerschlagen. Die Ereignisse in London sind ein Vergeltungsschlag aus dem Nichts, im Wesentlich nicht anders arrangiert, als der Angriff Amerikas auf das Anwesen Barkawis. Auf diesen Gedankengang allerdings lässt sich „London Has Fallen“ von Beginn an nicht ein.
Hier wird ganz eindeutig unterschieden: Es gibt gute Gewalt, die es frenetisch zu bejubeln gilt, und es gibt schlechte Gewalt, die nur von grausamen Dämonen aus einer anderen Welt ausgeführt wird. Dass Aamir Barkawi und seine Organisation ganz eindeutig vor der Folie des Islamischen Staates entstanden sind und gezielt Panik in entfernten Hauptstädten sät, um die politische Instabilität anzuheizen und so den Waffenhandel massiv zu steigern, ist für „London Has Fallen“ natürlich eine äußerst willkommene Relation: Das Fiktive verschränkt sich mit dem Realen. Und wenn man ehrlich ist, ist diese Verfahrensweise durchaus legitim. Seit Jahrzehnten. „London Has Fallen“ scheitert vielmehr daran, dass er sich nicht eingestehen kann, primitivste, doppelmoralische Exploitation zu betreiben und geriert sich fortwährend als eindrucksvolles A-Picture, dem man doch bitte mit offenen Mündern den größtmöglichen Respekt zollen sollte. Martialisch, xenophob und rückständig darf Gerard Butler mit ausgestellter Ernsthaftigkeit und allerhand Kriegsgerät durch London wüten, dass sich die Donald-Trump-Fraktion wie aphrodisiert auf die Unterlippe beißt. Hip-Hip-Hurray. Bartträger? Nehmt euch in Acht.
Cover & Szenenbilder: ©2016 LionsGate Films