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Waltz With Bashir

Waltz With Bashir

Ein Film von Ari Folman

Dokumentationen, Biografien und filmische Aufarbeitungen von geschichtlichen Ereignissen haben oft ein ernstes Problem: Sie verkommen in nicht wenigen Fällen zu bieder erzählten Schinken für pseudointellektuelle Studenten und bleiben anderen Zuschauern beim Versuch, sich durch die trockene Fakten-Ansammlung zu kämpfen, wie ein alter Keks im Hals stecken.
Dem israelischen Regisseur Ari Folman ist mit seiner vielfach gefeierten Verarbeitung des ersten Libanonkrieges das Kunststück geglückt, eigene Erlebnisse und die von Freunden und Kameraden in einem gleichzeitig verstörenden wie hypnotischen Animations-Bildersturm zu verpacken, der zu den absoluten Film-Highlights des Jahres 2008 gezählt werden muss.

Ganz ehrlich: Der Verfasser dieser Rezension ist zunächst auch eher skeptisch gewesen, ob der im Vorfeld veranstaltete, viele Wirbel um „Waltz With Bashir“ am Ende wirklich nachvollziehbar ist, oder ob einfach nur der Eindruck entstehen sollte, dass man das Werk aufgrund seiner Thematik gesehen haben muss, obwohl letztlich nur eine weitere emotionslose Schlaftablette unter der bunten Aufmachung vorzufinden ist.
Im Fall von Folmans Semi-Dokumentation sind die Vorschuss-Lorbeeren aber definitiv gerechtfertigt – selten hat man Kunst, Unterhaltung und Bildung in solch harmonischem Einklang auf der grossen Leinwand erlebt!
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„Das Gedächtnis ist dynamisch.“

„Waltz With Bashir“ beginnt mit einem Albtraum, den Boaz, ein Freund des Regisseurs, mehrfach durchlebt: Dämonisch aussehende Hunde rennen durch eine Strasse und warten zähnefletschend vor dessen Wohnung auf ihn. Es sind 26 Tiere. Und Boaz´ Wissen um die Anzahl rührt nicht daher dass er sie von seinem Fenster aus gezählt hat. Er weiss um welche Hunde es sich dabei handelt, und warum sie hinter ihm her sind. Auch viele Jahre nach den schrecklichen Kriegsszenarios, die er als Soldat durchlebt hat, verfolgen sie ihn und quälen ihn im Schlaf für das, was er ihnen einst angetan hat…

Von seinen Schreckensbildern berichtet Boaz nun Ari Folman, der ebenfalls im Libanon als Soldat gedient hat, und der die damaligen Ereignisse überraschenderweise kaum noch in seinen Kopf zurückrufen kann. Doch durch das gemeinsame Gespräch ist etwas in dem Regisseur erwacht, die Erinnerung an ein Ereignis aus jener Zeit - oder womöglich nur ein Gefühl in ihm…?
Durch dieses Ereignis angestachelt, besucht Ari alte Kriegsgefährten und dringt so zwischen gemeinsamen Fantasien und Ängsten langsam zum schrecklichen Kern seiner Vergangenheit und der seiner Freunde durch…

In der Tat hätte aus „Waltz With Bashir“ ein unglaublich langweiliger Dokumentarfilm werden können, der das übliche Schema von Interviews mit eingefügten Nachrichtenbildern abspult und am Ende die Zuschauer zwar an einigen Stellen aufzuwühlen vermag, aber bereits bis zum nächsten Output dieser Art wieder vergessen ist – denn mal ganz im Ernst: Wer interessiert sich z.B. heute noch groß für den einst so brisanten Michael Moore („Bowling For Columbine“, „Sicko“)?!

Ari Folman wählt aber einen völlig anderen Ansatz, als dies ähnliche Regisseure vor ihm getan haben. Denn obwohl er die Ereignisse selbstverständlich durch die Gespräche von verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet, ist sein Werk eher ein persönlicher Film, eine persönliche Aufarbeitung des Horrors – gekleidet in manchmal grauenvollen, aber oft auch geradezu traumhaften Trick-Bildern, die keinem Selbstzweck dienen, sondern auf beeindruckende Weise in die Psyche des gerade Erzählenden eindringen.
Waltz With BashirWaltz With BashirWaltz With Bashir
Mit gewöhnlichen Aufnahmen wäre es mit Sicherheit nicht einmal ansatzweise gelungen, das Publikum so in den Bann zu ziehen, und es gleichzeitig auf erzählerischer Ebene für das Thema zu gewinnen.
Vieles in „Waltz With Bashir“ entspricht nicht realen Geschehnissen, sondern geht – wie bereits erwähnt - über das rein körperlich Wahrgenommene der Anwesenden hinaus und illustriert Emotionen und Assoziationen aus der Zeit im Krieg oder Träume, die als Zeichen eines Verarbeitungsprozesses stehen.

Die Männer, die im Libanon gewesen sind, haben dort Schrecken erlebt, die sie selbst lange Jahre verdrängt haben und auf ihren Schultern tragen sie noch immer eine Last für Dinge, die sie getan oder nicht getan haben. Damit ist Folmans Meisterwerk ein kraftvolles aber in seiner Aussage zugleich zurückhaltendes Plädoyer gegen den Krieg geworden, das sich nicht durch Pathos oder grosse Reden in das Gedächtnis der Zuschauer einbrennt, sondern durch persönliche Schicksale und fantasievolle Bilder.

Wenn man sich jetzt „Waltz With Bashir“ mal nur von der inszenatorischen Seite näheren würde, müsste man anmerken, dass das Werk ohne die sehr ernste Thematik auch sehr gut als Unterhaltungsfilm funktioniert hätte, der mit umwerfenden Animationen, die sehr an das Rotoskop-Verfahren aus Richard Linklaters „A Scanner Darkly - Der dunkle Schirm“ (2006) erinnern, und einem tollen 80's-Soundtrack aufwartet.
So steht die Darstellung natürlich ganz im Dienst der zu übermittelnden Erfahrungen – ob nun „echt“ oder von der Person empfunden.

Am Ende des Films stößt der Regisseur sein Publikum noch einmal direkt in das nackte Grauen hinein, indem urplötzlich die zuvor künstlich erzeugten Bilder von Video-Aufnahmen abgelöst werden. Danach herrscht kurz schwarze, nachdenkliche Stille bevor der Abspann einsetzt…
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„Waltz With Bashir“ ist ein Pflichtfilm des Jahres 2008!!

Eine Rezension von Bastian G.
(07. November 2008)
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Daten zum Film
Waltz With Bashir Israel, Deutschland, Frankreich 2008
(Vals im Bashir)
Regie Ari Folman Drehbuch Ari Folman
Produktion Bridgit Folman Film Gang, Les Films d'Ici, Arte France, Razor Film Produktion GmbH
Darsteller Ari Folman, Ron Ben-Yishai, Ronny Dayag, Dror Harazi, Yehezkel Lazarov, Mickey Leon, Ori Sivan, Zahava Solomon
Länge 87 min. FSK ab 12 Jahren
http://waltz-with-bashir.pandorafilm.de/
Filmmusik Max Richter
Der Film wurde im Rahmen des "Fantasy-Filmfests 2008" in der hebräischen OV mit englischen Untertiteln vorgeführt. Deutscher Kinostart: 06.11.2008. Ausgezeichnet mit dem "Golden Globe" für den "Besten ausländischen Film 2009".
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