Ein Aufenthalt in einem kleinen, beschaulichen Dorf mitten in den Bergen, umgeben von prächtigen Wäldern und in der Nähe eines geradezu märchenhaften Sees: da könnte manch einer schon seinem Seelenfrieden ein Stück näher kommen. Bei mir ist dies allerdings nicht der Fall, schon nach wenigen Tagen sehne ich mich wieder nach dem Grauen, das mich in der Heimat auf Schritt und Tritt verfolgt. Einige schlaflose Nächte später gebe ich meiner Sucht nach, einige Münzen wechseln den Besitzer, und stolz halte ich 2 DVDs in Händen, bis zum Rand mit feinstem Trash bespielt. Und so kam ich schließlich in den „Genuss“ mit dem
Freibeuter der Karibik die Klingen zu kreuzen.
Der Titel lässt es bereits erahnen, es geht um Piraten. Das ist grundsätzlich mal nicht schlecht, immerhin gibt es eine Menge tolle Sachen, die mit den sympathischen Augenklappen-Trägern zu tun haben. Ich denke da nicht nur an
Fluch der Karibik, sondern auch an unvergessene Videospiel-Perlen wie
Monkey Island oder
Sid Meier's Pirates. Mit solchen Konnotationen im Hinterkopf hatte es
Freibeuter der Karibik natürlich von Anfang an schwer, eine Enttäuschung war fast vorprogrammiert. Wie groß diese dann allerdings tatsächlich ausfallen würde, das hatte ich nicht ahnen können.
Dabei beginnt das Ganze recht amüsant: Jeffrey Brooke, Pirat und Frauenheld, hat sein Schiff verspi
elt und provoziert nun kurzerhand eine Verhaftung. Verbrecher werden nämlich auf die nächstbeste Insel verschifft; Australien und Irland lassen grüßen. Jeffrey hat allerdings nicht vor auf solch einem Eiland zu versauern, vielmehr ist es sein Plan, die Nussschale seiner Wärter in Besitz zu nehmen. Man möchte meinen, dass das so einfach nicht ist – es sei denn, man hat den Plot auf seiner Seite. Dann ist es nämlich gar nicht so schwer sich von eisernen Ketten zu befreien oder mit gebrochener Hand zu fechten, wie Jeffreys Kumpel Maccie demonstriert. Dass die Waffenkammer direkt gegenüber den Zellen liegt, verwundert da kaum noch. Und so hat unser Protagonist nach kurzer Zeit wieder ein Schiff unter seinem Kommando. Zeit für spannende Seegefechte?
Mitnichten. Es gibt zwar genügend Schlachten, die verlaufen aber denkbar unspektakulär. Der eigentliche Seekampf ist meist bald vorüber, spannende Manöver und durchdachte Finten spielen hierbei keine Rolle, was zählt ist einzig und allein die Feuerkraft. Etwas mehr Raum nehmen die Scharmützel nach dem Entern ein. Nur sind die so abrupt und konfus geschnitten, dass man dem Geschehen kaum folgen kann. Ob dies so beabsichtigt war, oder ob irgendwelche Behörden die Schere angesetzt haben, ließ sich leider nicht mehr eruieren – dafür ist der Film zu unbedeutend. Aber eigentlich ist's auch egal: die Crew des guten Herrn Brooke ist derart austauschbar, dass es mich eigentlich nicht kümmert, wer nun gerade abkratzt. Einzig die obligatorischen Säbelduelle zwischen Jeffrey und dem jeweils feindlichen Kapitän lassen etwas Begeisterung aufkommen, werden aber meist durch sinnlose Dialoge unterbrochen. Diese erreichen selbstverständlich nicht die Klasse eines „Du kämpfst wie eine Kuh!“.
Nun, wenn die Piraten schon nicht unterhaltsam sind, dann sind sie zumindest erfolgreich: bald schon gilt Jeffrey als Schrecken der Sieben Weltmeere und wird von so ziemlich allen relevanten Parteien verfolgt. In seiner Not begibt er sich auf die Insel San Lucon, da es dort laut seinem Kameraden Bonaccia eine sichere Absteige gibt. Dabei handelt es sich um ein recht gemütliches Wirtshaus, dessen hübsche Besitzerin unser Held mit seinem unglaublichen Charme innerhalb kürzester Zeit verführt: „Dein Körper ist schön wie das weite Meer... ich möchte die verborgenen Inseln erforschen, die man dort findet“. Nun, liebe Männer, ganz unter uns: Ich glaube nicht, dass das wirklich funktioniert.
Die liebe Wirtin lässt sich allerdings nur mit dem verlausten Piraten ein, da sie mit den Engländern im Bunde steht. Bevor Jeffrey nun die Dame „entern“ kann, wird er hinterrücks niedergeschlagen; dann wird es ein wenig kompliziert: die Engländer wollen ihn nämlich nicht hinrichten, sondern sich mit ihm gegen die Portugiesen verbünden. Die haben nämlich ein riesiges Fort voller Gold auf der Insel, und so ganz allein kommen die Männer ihrer Majestät da nicht hinein. Daher brauchen sie Jeffreys Hilfe; der wiederum braucht erstmal ein größeres Schiff. Es folgt eine weitere Seeschlacht, in deren Verlauf sich „von beiden Seiten anschwimmen!“ als Taktik bewährt, und viel unnötiges Geschwafel. Im Endeffekt will man warten, bis sich die Portugiesen am nächstbesten Feiertag ansaufen und sich dann einschleichen – was für eine Idee, ohne Jeffrey wären die nie auf sowas gekommen.
Das Finale bringt schließlich erstaunliche Erkenntnisse mit sich. In der Burg treiben sich beispielsweise einige Mönche herum, deren Outfit nach zu urteilen der Ku-Klux Klan bereits im späten 17. Jahrhundert existierte. Die Kerle schleppen sogar Fackeln mit sich rum. Noch beeindruckender sind allerdings die Säbel der Freibeuter: wird man von jenen auch nur gestreift, man stirbt sofort und hat nicht mal Zeit zu schreien – und erwischt es auch nur die kleine Zehe: Zack, tot. Kein Wunder, dass alle Angst vor Piraten haben. Und dann, dann ist der Film plötzlich vorbei: kein nervenaufreibender Endkampf, keine romantische Liebesszene mit einer von Jeffs zahlreichen Verehrerinnen, kein plötzlicher Twist: zumindest passt das Ende in puncto Spannung zum Rest des Films.
Nun, ganz über die Planke stoßen will ich den
Freibeuter dann doch nicht. Die Charaktere sind zwar eindimensional, aber immerhin ganz sympathisch – im Notfall reicht das für 81 Minuten Unterhaltung. Die Schauspieler sind nicht herausragend, machen ihre Sache aber auch nicht schlecht. Und auch die musikalische Untermalung lässt trotz mangelnder Innovation etwas Piraten-Atmosphäre aufkommen. Nach einer Buddel voll Rum ist der Film wohl recht unterhaltsam. Und nüchtern immer noch besser als Kielholen. Eingefleischte Piraten-Fans können einen Blick riskieren. Alle Anderen sind mit
Fluch der Karibik oder meinem persönlichen Liebling,
Die Piratenbraut, besser beraten.