West-Berlin, vor dem Fall der Mauer:
Mark (Sam Neill, „
Die Mächte des Wahnsinns“) kehrt nach einer längeren Geschäftsreise zu seiner Frau Anna (Isabelle Adjani, „
Der Mieter“) und ihrem gemeinsamen Sohn Bob (Michael Hogben) zurück.
Schon bevor die Koffer vom Taxi in die Wohnung getragen sind, eröffnet ihm seine Angetraute ohne Angabe von Gründen, dass sie ihn verlassen wird. Natürlich lässt der völlig überrumpelte Mark die Trennung nicht so einfach auf sich beruhen, sondern stellt nach dem ersten emotionalen Tiefschlag Nachforschungen an, weshalb Anna so unerwartet ihre Kleinfamilie auseinanderreißen will.
Von der Cousine seiner Frau erfährt Mark von einem heimlichen Geliebten, der sich als der kauzige Heinrich (Heinz Bennent) entpuppt. Als Mark diesen besucht und zur Rede stellt, erklärt Heinrich ihm, dass Anna auch ihn verlassen habe und er nicht wisse, wo sie sich nun aufhält.
Scheinbar existiert noch ein weiterer Liebhaber. Und um endlich Klarheit zu bekommen, beauftragt Mark schließlich einen Privatdetektiv (Carl Duering), dem es auch gelingt Anna und ihren Seitensprung ausfindig zu machen. Eine Entdeckung, die dieser mit seinem Leben bezahlen muss, denn bei ihrem neuen Liebhaber handelt es sich nicht um einen Traumprinzen, sondern um eine monströse Kreatur…
Der aus Polen stammende und aufgrund von Problemen mit der dortigen Regierung nach Frankreich ausgewanderte Regisseur Andrzej Żuławski („Nachtblende“, „Diabel“) hat mit seinem vierten Spielfilm „Possession“ einen alles andere als leicht verdaulichen Brocken Kunstkino geschaffen.
Was nach der Inhaltsangabe wie ein recht gradliniger Horrorthriller anmutet, entpuppt sich im Kern als abgrundtiefes Familiendrama, das die Elemente eines anderen Genres nutzt, um vor dem Hintergrund der Ehe eine persönliche Hölle auf Erden heraufzubeschwören.
Bereits zu Beginn des Films deutet die Kameraeinstellung eines Graffitis mit dem Aufruf
„Die Mauer muss weg“ an, dass die Wahl des Drehorts nicht beliebig getroffen worden ist, sondern die in zwei gespaltene Stadt bereits eine Metapher für das Auseinanderklaffen von Annas und Marks Familie darstellt.
Nach dem recht konventionellen Einstieg mit einem aggressiven Ausbruch in einem Restaurant infolge eines Ehestreits, beginnen sich langsam die ersten Mysterien aufzutun:
Wohin ist Anna verschwunden und wie lässt sich ihr paranoides, selbstzerstörerisches Verhalten erklären, wenn sie ab und zu zuhause auftaucht um Bob zu besuchen?
Ab jetzt entwickelt sich „Possession“ zu einem wilden, die Schwelle zum Wahnsinn bereits übertretenen Fieber(-Alb)traum, der sich dem Zuschauer auf einer rationalen Ebene nicht so recht erschließen will, was aber wohl auch nicht unbedingt die Intention Żuławskis gewesen ist. Vielmehr lässt das Werk ein enormes Spektrum an Interpretationen zu, wobei aber das Thema der auseinanderbrechenden Ehe den Kern der Geschichte darstellt.
So hat die gescheiterte Ehe des Regisseurs die Inspiration zu „Possession“ geliefert, weshalb das Resultat wohl auch so unverfälscht und roh auf den Zuschauer einschlägt - mit der Kamera stets dicht an den Darstellern, dicht im teilweise brutalen Geschehen. Wenn z.B. die Situation zwischen Mark und Anna zum ersten Mal völlig eskaliert und dieser seine Frau blutig schlägt, wird diese Szene von Andrzej Żuławski so dermaßen hautnah eingefangen, dass es schmerzt.
Doch was hat es denn nun eigentlich mit den Horroranteilen bei dem Film auf sich?
Nun, tatsächlich gibt es in „Possession“, wie bereits erwähnt, eine schleimige Kreatur (welche von Oscar-Preisträger Carlo Rambaldi entwickelt worden ist, der bereits bei Dario Argentos „
Deep Red“ mitgewirkt hat und wohl in erster Linie für seine Arbeit bei „E.T.“ bekannt sein dürfte).
Allerdings sollten diese Elemente eindeutig als symbolische Verstärkung der Geschichte angesehen werden – Zuschauer, die hier einen Monster-Splatterstreifen erwarten, haben sich vorher nicht gründlich über den Film informiert und werden enttäuscht sein...
Der Horror ist hier ebenso vertreten wie das Drama, nur eben auf subtiler Ebene, als unterschwelliges Gefühl, das eher selten in Bildern auf der Leinwand sein Unwesen treibt.
Keine Frage, Żuławskis Ausflug in den „Abgrund Ehe“ ist ein leider eher unterschätztes Meisterwerk, das aber bei anderen renomierten Regisseuren, wie z.B. Italiens Horror-Meister Dario Argento, großes Ansehen genießt und auch heute noch gelegentlich in manchen Underground-Kinos aufgeführt wird. Eigenartigerweise ist der Film nie in einer deutschen Fassung erschienen, obwohl er in diesem Land entstanden ist - in Großbritannien ist er sogar einige Jahre lang als „Video Nasty“ vom Markt verbannt worden…offensichtlich sind viele Leute mit dem Werk überfordert gewesen, obwohl es sogar zwei aufstrebende, internationale Stars mit den vielleicht bis heute besten Performances ihrer Karrieren (Isabelle Adjani hat für ihre Darstellung in Cannes den Preis als "Beste Hauptdarstellerin" gewonnen) beinhaltet.
Insgesamt ist der geheimnisvolle Film absolut erstklassig inszeniert worden, wobei auch noch die sich fast ständig in Bewegung befindliche Kamera von Bruno Nuytten und der markante Score von Andrzej Korzynski erwähnt werden sollen.
Wer also die Gelegenheit hat, zu einer Vorführung des Films zu gelangen, sollte sie nutzen! „Possession“ ist ein inhaltliches zwar schwieriges, aber auch einzigartiges Werk, das eindeutig mehr Beachtung verdient hätte.