„When I saw you, I believed it was a sign... that something new can come into this world.“
NICHTS NEUES AN DER FRONT. Die Abenteuer-Reihe rund um den Bürgerkriegssoldaten John Carter, der sich urplötzlich auf dem Mars wiederfindet und allerlei Gefahren trotzen muss, erfreut sich nun schon bereits seit einem kompletten Jahrhundert ungebrochener Beliebtheit. Ihr Autor
Edgar Rice Burroughs, der 1912 auch Lianenschwinger Tarzan erdachte, erschuf den tragischen Helden im Jahre 1911 und ließ ihn in 11 Büchern, die unter dem Obertitel
Barsoom (Burroughs' Version des sterbenden Mars) firmierten, quasi über Nacht zum Vorläufer der heutigen, modernen Science-Fiction heranreifen. Was wir heutzutage eher mit George Lucas' „
Krieg der Sterne“ und Konsorten verbinden, ist nämlich genau genommen nichts weiter als die inspirierte, konsequente Weiterentwicklung einer Vision in Buchform, die ihren Anfang nahm im frühesten 20. Jahrhundert und dennoch so aufgeweckt und frisch daherkommt, als sei sie gerade erst aus dem Ei geschlüpft. Und nun, pünktlich zum 100. Geburtstag, schickt sich der Urvater höchstpersönlich an, unter der strikten Federführung des
Disney-Konzerns sein allererstes Leinwand-Abenteuer zu bestreiten. Eine angesichts des enormen Budgets von geschätzten 250 Mio. Dollar nicht ganz risikofreie Entsche
idung. Und in der Tat entpuppt sich
Disneys
„JOHN CARTER - ZWISCHEN ZWEI WELTEN“ (
„John Carter“) bei genauerer Betrachtung als zwar optisch berauschende, wenngleich inhaltlich verquaste Science-Fiction-Mär, welche sich leider allzu oft bei den Filmen anbiedert, die durch sie erst ermöglicht wurden, anstatt brav für sich allein zu stehen. So gerät der Start des potentiell neuen Franchise traurigerweise zum Selbstschuss ins Bein eines alten Veteranen, der verdeutlicht, wie gute Ansätze einmal mehr Opfer der tristen Massentauglichkeit wurden.
Dabei beginnt unsere Geschichte, die in ihren Grundzügen auf dem ersten John Carter-Abenteuer
Die Prinzessin vom Mars (publiziert in 1912) basiert, zunächst noch recht vielversprechend: Dem Soldaten John Carter (Taylor Kitsch) aus Virginia hat der amerikanische Bürgerkrieg alles genommen, was er einst liebte. Verwitwet stürzt sich der traumatisierte Einzelkämpfer im Folgenden in die Goldsuche und gerät dabei in einen Hinterhalt der Apachen, dem er nur knapp entkommen kann, indem er in einer Höhle Zuflucht sucht. Doch diese Höhle birgt ein gefährliches Geheimnis: Plötzlich findet sich Carter in eine ihm fremde Umgebung teleportiert, die mit ihren unzähligen seltsamen Bewohnern so rein gar nichts mehr mit der Erde, die er kannte, gemein hat. Zu allem Überfluss rennt unser Held nach der erfolgreichen Flucht aus kurzer Alien-Gefangenschaft auch noch unversehens in die Arme eines sich anbahnenden Krieges, in dem die schöne, aber auch geheimnisvolle Prinzessin Dejah Thoris (Lynn Collins) eine wichtige Rolle spielt.
„JOHN CARTER - ZWISCHEN ZWEI WELTEN“ ist der erste Live-Action-Film für
Andrew Stanton, der zuvor für
Pixar die süßen wie ambitionierten Animationsperlen „Findet Nemo“ [2003] und „
WALL·E“ [2008] inszenierte. Süß und ambitioniert ist im vorliegenden Fall nun rein gar nichts mehr; vielmehr ist jede Spur von Anspruch einem überraschend trivialen, durchkalkulierten Hochglanzspektakel gewichen, wie es teils austauschbarer nicht sein könnte. Ersteres soll hier jedoch gar nicht allzu schwer ins Gewicht fallen, war doch bereits schon Burroughs' Vorlage merklich davon entfernt, auch nur annähernd in die Sphären höherer Dichtung vorzudringen. Gerade in Bezug auf Letzteres darf ein Film sich aber durchaus trauen, wenn schon kein oscarwürdiges, so doch zumindest ein ansprechendes, den vorhandenen Stärken der Buchvorlage schmeichelndes Endprodukt abzuliefern. Nur verwechselt Stanton das Huldigen leider mehr als lediglich einmal mit dem (vermuteten) Massengeschmack und zieht sein teures Effekte-Epos wie den unehelichen Spross einer weltberühmten Weltraum-Seifenoper auf. So erinnern die Luftkämpfe nicht von ungefähr an George Lucas' Weltraum-Saga jüngeren Datums, was zwar hervorragend aussieht (das in der
Post-Production nachkonvertierte 3D ist gut gelungen!), aufgrund des exzessiven Gebrauchs von CGI aber wie schon bei den Episoden
I,
II und
III in gewisser Weise arg seelenlos daherkommt. Hier wäre geübte Zurückhaltung ein recht deutliches Plus gewesen.
Wenn es dann mal nicht knallt, wird der Zuschauer in den ruhigen Passagen mit Dialogen konfrontiert, die deutlich dem Star Wars'schen
Space Opera-Fundus entsprungen scheinen und teils für ungewollte Komik sorgen. Wobei sich das Werk im Gesamten nicht immer so recht entscheiden kann, ob es nun als hochbudgetierter Science-Fiction-Actioner oder aber dessen eigene Parodie ernstgenommen werden möchte. Während nämlich das Drehbuch in dem einen Moment berechtigterweise viel Zeit damit zubringt, John Carters familiären Hintergrund und seine tragische Entwicklung ins rechte Licht zu rücken, räumt es im nächsten Augenblick einem wohl als putzig erdachten, aber insgesamt betrachtet völlig überflüssigen CGI-Sidekick vom Schlage Jar-Jar-Binks Leinwandpräsenz ein. Wenn dieser dann in bester Road Runner-Manier durch den heißen Wüstensand pflügt, vermisst man eigentlich nur noch das berühmte „
Meep Meep“, das Wile E. Coyote auf den Plan bringt. Stören würde er nicht. Eine Tatsache, die wir vielleicht einfach so stehen lassen sollten...
Es soll bei all der Kritik jedoch nicht der Eindruck entstehen,
„JOHN CARTER - ZWISCHEN ZWEI WELTEN“ sei etwa ein gänzlich missratener Film. Im Gegenteil finden sich auch viele gute Ansätze in dem zweistündigen Werk, die teilweise nur nicht mit der gebotenen Sorgfalt weiterverfolgt wurden. Gerade die Läuterung Carters im Moment, als ihm bewusst wird, dass ihm der Mars eine zweite Chance gewährt, sein Leben umzukrempeln, ist eines der stärksten Motive des Abenteuers, geht zwischen all dem vordergründigen Spektakel aber merklich unter. Schade. Dabei macht Hauptdarsteller
Taylor Kitsch („
Der Pakt - The Covenant“ [2006]) seine Sache über die gesamte Laufzeit recht ordentlich und schafft es sogar, eine slapstickartige Mars-Behüpfung nicht vollends lächerlich aussehen zu lassen. Unterstützung erhält er von einer hochkarätigen Darstellerriege, die allerdings zum Teil mit CGI-Masken ausgestattet wurde, welche ein Wiedererkennen quasi unmöglich machen. Die wenigen Rollen, die ihr menschliches Antlitz noch nicht eingebüßt haben, sind immerhin so prominente Namen wie die überaus attraktive
Lynn Collins („
Number 23“ [2007]) sowie die immer wieder gern gesehenen Mimen
Bryan Cranston („
Drive“ [2011]),
Mark Strong („
Kick-Ass“ [2010]),
Dominic West („
Die Vergessenen [2004]) und
Ciarán Hinds („
München“ [2005]), die solide und ohne erkennbar große Ausrutscher agieren. Dieser Umstand hebt
„JOHN CARTER - ZWISCHEN ZWEI WELTEN“ zwar nicht über's Mittelmaß, rettet ihm aber zumindest die halbe Miete. Und das ist hier durchaus von Wert.
Fazit: So wie der Held sich zwischen zwei Welten bewegt, befindet sich der Film zwischen zwei Stühlen. Auf der einen Seite will der klassischen Vorlage gehuldigt werden, nur um sie im nächsten Moment zu einem austauschbaren Science-Fiction-Konstrukt der Neuzeit zu stilisieren. Vielleicht war dies ja der Preis, den
Disney in Kauf nehmen musste, um die Chance auf ein neues, gewinnträchtiges Franchise zu erhöhen. Ob der leicht inkohärente Science-Fiction-Mix dem zahlenden Publikum am Ende zusagt, wird sich zeigen. Ebenso, ob der Soldat John Carter unter diesen Umständen überhaupt noch einmal zum Mars zurückkehren darf oder sich vielmehr zum wiederholten Male zur tragischen Figur seiner eigenen Geschichte wandelt, nun allerdings ohne die zweite Chance, vormals Versäumtes besser zu machen. Was bleibt, wäre Resignation. Und gegen die hilft dann ausnahmsweise auch kein Sprung in fremde Welten mehr.
Bilder: © Walt Disney Company