Der Insasse eines Irrenhauses erzählt seinem Arzt die Geschichte der Geschehnisse, die ihn an diesen Ort gebracht haben. Im Nachlass seines Großonkels entdeckte er Notizen, die verschiedene seltsame Ereignisse auf der ganzen Welt in Zusammenhang brachten. Ein Künstler erzählte ihm von wirren Träumen einer versunkenen Stadt, ein Polizist verhaftete Kultisten in einem Sumpfgebiet und eine Schiffsbesatzung stieß auf einen treibenden Kutter und gelangte mit ihm auf eine mysteriöse Insel. Und hinter all dem scheint das Wort Cthulhu zu stecken...
Autor der literarischen Vorlage ist H. P. Lovecraft. Im deutschen Sprachraum eher nur Fans bekannt, war er eine wichtige Einflußgröße für zahlreiche Koriphäen der heutigen fantastischen Literatur, unter ihnen Stephen King, Clive Barker und Wolfgang Hohlbein. Obwohl er zu Lebzeiten nie wirklichen Ruhm erreichte, und in Armut mit 49 Jahren starb, sind seine Werke bis heute unvergessen. Diese Wirkung erreicht Lovecraft durch ständige Verknüpfungen und Querverweise, d.h. dass immer wieder Namen, Orte und Gegenstände in den verschiedensten Geschichten auftauchen. Dadurch gelingt es ihm, ein eigenes Universum zu erschaffen, was manchmal schon groteske Züge annimmt: so wird häufig geglaubt, es gäbe das Buch "Necronomicon", das Buch der Toten, wirklich und es gab diesbezüglich schon Untersuchungen - dabei ist es eine Erfindung von Lovecraft selbst. Nebenbei schrieb er noch mehrere Geschichten, die sich als "Arkham
-Zyklus" zusammenfassen lassen, wobei Arkham eine fiktive Stadt ist. Teil dieser Geschichte ist der große Cthulhu, eine Gottheit, die aus dem Weltall kam und nun in der versunkenen Stadt R'lyeh auf seine Wiederauferstehung wartet. Und um die gleichnamige Kurzgeschichte "The Call of Cthulhu" dreht sich auch der vorliegende Film.
Die Werke von Lovecraft wurden nicht nur in Computerspielen wie dem Adventure "Shadow of the Comet" oder dem Ego-Action-Adventure "The Call of Cthulhu" jüngeren Datums umgesetzt, sondern dienen auch zahlreichen Filmen als Inspirationsquelle. Am bekanntesten sind vielleicht die Filme von Stuart Gordon, der immer wieder Lovecraft-Geschichten verfilmt, darunter "Re-Animator", seine Masters of Horror Folge "Dreams in a Witch House" oder der günstig produzierte, jedoch gute "Dagon". Neuerdings verfilmt immer wieder Ivan Zuccon Vorlagen des berühmten Autors, allerdings wohl mit sehr schwankender Qualität- Ein Film, der nicht direkt auf einer Geschichte von ihm basiert, jedoch den Geist so gut wie fast keine andere Verfilmung einfängt, ist John Carpenters "Die Mächte des Wahnsinns". Die Kurzgeschichte "The Call of Cthulhu" wurde, obwohl sie eine der berühmtesten Geschichten Lovecrafts überhaupt ist, bisher noch gar nicht verfilmt. Bis zu eben diesem vorliegenden Film.
"The Call of Cthulhu" wehrt sich eigentlich erst einmal gegen den Zuschauer. Wenn man sich überhaupt nicht über den Film informiert hat, kann man schonmal einen kleinen Kulturschock bekommen, gerade wenn man an die anderen Lovecraft-Filme denkt. Anstatt hier einen normalen Horrorfilm mit blutigen Effekten zu bekommen, kriegt der Zuschauer einen Schwarz-Weiß-Film zu sehen, mit Kratzern und Flecken auf dem Bild, und mit stark geschminkten und in der Tradition des deutschen Expressionismus aufspielenden Darstellern! Und als wäre das noch nicht genug, gibt es passenderweise auch keine Dialoge oder Toneffekte zu hören, sondern der Film wird wie ein klassischer Stummfilm von durchgehender Musik untermalt und wichtige Sätze werden nicht in Untertiteln, sondern tatsächlich in Zwischentafeln mitgeteilt! Und das im Jahr 2005! Woher kommt das? Nunja, der Film ist eigentlich keine professionelle Produktion, sondern wurde von Freunden und Mitgliedern der H.P.Lovecraft Historical Society gedreht und veröffentlicht - sprich, wir haben es mehr oder minder mit einem Amateurwerk zu tun. Wo nun der typisch deutsche Amateurfilmer seine Freunde in billigem Zombie-Make-Up im örtlichen Wäldchen rumsuppen lassen würde, überlegten sich die Filmemacher hier, wie sie ihre Ressourcen vernünftig einsetzen könnten.
Wenn man sich überlegt, dass der Film praktisch 0 Budget hatte, aber gleichzeitig hohe Anforderungen durch das Drehbuch, dann ist die Lösung des Problems schon sehr kreativ aber auch effektiv: da man mehrere Schiffe und Inseln brauchte, darüberhinaus auch noch die Cthulhu-Kreatur in Aktion, machte man aus der Not eine Tugend: das Team hat nicht nur den Schauplatz zwischen den Weltkriegen als Vorgabe, sondern drehte gleich den ganzen Film in diesem Stil! So konnte man bei der Tricktechnik einsparen und musste sich auch keine Gedanken über die farbliche Ausstattung machen. So schwimmen die Schiffe nicht auf Wasser, sondern die Wellen sind nur dunkle Betttücher mit Glitzerstaub. Oder auch die Straßenszenen im Hintergrund, sind Standfotos und Spielzeugautos. Durch die Einbindung in die antiquierte Inszenierung (im positiven Sinne!) funktioniert das ganze aber wirklich hervorragend.
Der Film wurde also von extrem talentierten Leuten gemacht, die durchaus zeigen, dass man kein Geld braucht, um einen guten Film zu machen - solange man mit den beschränkten Mitteln kreativ umzugehen weiß. Die Ausleuchtung und Kameraarbeit allgemein ist passend zu der Zeit, wenn auch manchmal zu viel Bewegung darin vorkommt. Jedoch sind gerade die Detailaufnahmen mit vermindertem Bildausschnitt sehr gut gelungen. Und gespielt ist das ganze wirklich toll! Natürlich neigen die Schauspieler zu Overacting, aber das fügt sich wunderbar in den Film ein und man fühlt sich an die Stummfilmklassiker wohlig erinnert. Und selbst die Effekte des Cthulhu können durchaus überzeugen, auch wenn man persönlich sich mit Stop-Motion anfreunden können muss - meine Freundin fands billig, ich fands toll :)
Und der Soundtrack ist wirklich große Klasse und wirkt wirklich sehr professionell. Insgesamt weiß der Film über seine Laufzeit von knapp 47 Minuten doch eine sehr gute Atmosphäre aufzubauen.
Die DVD gibts bei den üblichen amerikanischen Onlineversendern recht günstig zu haben, ich habe für meine ca. 8€ gezahlt. Das Cover ist angenehm historisch angehaucht, und auch die restliche DVD kann überzeugen. Das Bild und Ton sind gut, aber auch passend künstlich gealtert, darüberhinaus gibt es auch noch einige Extras. Am interessantesten ist hier sicherlich das Making-Of, das von der Laufzeit fast an den Film heranreicht. Das ganze ist angenehm unernst und anekdotisch angereichert, vergisst jedoch nicht, auch einiges an Fakten über die Machart des Filmes zu erläutern. Der eigentliche Clou an der DVD sind aber die Untertitel: wie gesagt gibt es Dialoge in Zwischentafeln, jedoch sind diese nicht fest in den Film integriert, sondern über die Untertitel frei steuerbar! Und es liegen immerhin 24 Sprachen vor, darunter auch Deutsch! Die Übersetzung hierbei ist sehr gut gelungen, man arbeitet sogar mit Dialekten. Zwischendurch schleicht sich eine spanische Tafel ein, die man aber auch ohne spanische Sprachkenntnisse versteht. Und manchmal bleibt die ursprüngliche, englische Tafel für Millisekunden länger stehen, was jedoch den Filmgenuss nicht stört.
Fazit: "The Call of Cthulhu" ist ein hervorragend gemachter und gespielter Neuzeit-Stummfilm, von Fans für Fans. Er überzeugt durch die tolle Atmosphäre und die antiquierte Technik, wenn man denn sowas mag. Da er sich jedoch vollkommen gegen die heutigen Sehgewohnheiten sträubt, und darüberhinaus eine Sternchenwertung in mit anderen Filmen vergleichbar machen würde, verzichte ich erstmal auf eine Bewertung in Form von Sternen. Aber sicherlich ist das hier sein sehr guter Film, wenn man sich denn darauf einlassen kann.