Das Hongkong-Kino hat ja durchaus schon öfter seine Wandlungsfähigkeit unter Beweis gestellt. Wo in den 70er Jahren noch Martial-Arts-Filme (hier seien natürlich die legendären Shaw Brothers genannt) ganz hoch im Kurs standen, konzentrierte man sich ab den 80er Jahren stark auf die Actionkracher, die das Hongkong-Kino zur Legende machten und sowohl Regisseure als auch Darsteller zutage förderten, die inzwischen auch international beschäftigt werden, seien es John Woo, Ringo Lam, Tsui Hark oder auch Chow Yun-Fat auf Darstelllerseite. Doch auch dieses energiegeladene Kino befand sich gerade nach dem Weggang der großen Namen nicht nur kommerziell sondern auch künstlerisch in einer Sackgasse, bis 2002 unter der Regie von Andrew Lau und Alan Mak ein Film entstand, der sich sowohl stilistisch von den Actionfeuerwerken emanzipierte, als auch international für Aufsehen sorgte (und letztendlich ein amerikanisches [film=The Departed]Remake[/film]) erhielt: Infernal Affairs war hervorragend produziertes, superb besetzt und nicht zuletzt enorm spannendes Thrillerkino. Infernal Affairs zog nicht nur zwei Fortsetzung und ein paar seelenverwandte Filme (etwa Colour of the Truth) nach sich, auch das Regieteam blieb zusammen und drehte 2006 nun auch den vorliegenden Confession of Pain.
Während der Polizist Bong 2003 sich zusammen mit seinem Vorgesetzten Hei auf einem Einsatz befindet, passiert das Unfassbare: Bongs Frau betrinkt sich und schneidet sich anschließend d
ie Pulsadern durch. Drei Jahre später ist Bong, er hat die Polizei inzwischen verlassen, Alkoholiker und verdient sich seinen Lebensunterhalt als Privatdetektiv in Hongkong; den Kontakt zu Hei konnte er halten. Eines Tages wird Heis Schwiegervater samt Butler brutal ermordet – alles sieht nach Raubmord aus, und auch der Verdacht, der auf Hei fällt (immerhin ist er der Schwiegersohn und könnte reich erben), kann schnell aus dem Weg geräumt werden, als die zwei potentiellen Täter tot aufgefunden werden. Doch sowohl Heis Frau Susan und damit die Tochter des Toten als auch Bong haben ihre Zweifel...
In knapp 110 Minuten Laufzeit (die kaum Längen aufweisen) folgt der Film nicht unbedingt nur den Ermittlungen Bongs, sondern interessiert sich viel mehr für seine Figuren, als für die Thrillerhandlung. Tony Leung Chiu-Wai ist natürlich wie immer phänomenal als Hei. Mit seiner randlosen Brille und seinem kontrollierten Äußerem überzeugt er in der Rolle des Ermittlers, macht aber bereits im Prolog (der wohl sogleich die Szene mit der vordergründigsten Spannung darstellt) eines sofort ganz klar: mit ihm ist nicht zu spaßen! Nachdem er einen Verdächtigen stellen und überwältigen konnte scheut er auch nicht davor zurück, vor versammelten Kollegen dem Verhafteten mit einem Kerzenständer den Schädel einzuschlagen – aus Rache für dessen Taten. Tony Leung brilliert in dieser subtilen Perfomance, die bei aller Kontrolliertheit die Brutalität der Figur niemals unterschlägt, aber sie auch nicht in den Vordergrund stellt. Dagegen kommt ein Takeshi Kaneshiro natürlich nicht an, der den alkoholabhängigen Bong in dessen betrunkenen Szenen einfach eine Spur weit zu bemüht spielt. Nicht dass er seine Sache schlecht macht, aber Tony Leungs Spiel ist nun einmal eine ganz andere Hausnummer.
Faszinierend ist allerdings die Inszenierung des Regieteams: dass die Chose ziemlich gut produziert ist versteht sich natürlich irgendwo von selbst. Kameraarbeit und Soundtrack sind top-notch, auch wenn letzterer manchmal eher ungewöhnliche beziehungsweise scheinbar unpassende Musikstücke zur Untermalung von Szenen benutzt. Das gelungenste an dem Stil des Films ist aber – wenn man ihn bereits gesehen hat und daher retrospektiv betrachten kann – wie die Regisseure Lau und Mak unglaublich gelungen verschiedene Details zeigen, die scheinbar nichts zur Handlung beitragen, aber später noch wichtig werden. Es gibt zahlreiche Andeutung schon in frühesten Szenen des Films, die aber nicht mit dem Zeigefinger oder Zaunpfahl präsentiert werden, sondern einfach nebenher eingeflochten sind, als würden sie einfach kleinere Aspekte der Figuren darstellen. Was dann natürlich umso verblüffender wirkt, wenn sie später wieder aufgegriffen werden. Dabei kann der Film aber auch selten eine konstante Spannung halten, da er häufig mehr wie ein Drama wirkt, als wie ein waschechter Thriller (aber das scheint ja eines der Merkmale der Killer-Thriller-Box zu sein, deren Teil der Film ist; auch an dieser Stelle wieder ein herzlicher Dank für das Rezensionsexemplar), so dass die Ermittlungen Bongs manchmal durch ein mehr oder minder brutales „Ich habe etwas in einer alten Zeitung gelesen“ vorangeprügelt werden müssen, um nicht auf der Stelle zu treten.
Ebenso sei angemerkt, dass die Übersichtlichkeit des Geschehens manchmal etwas verloren geht. Dies liegt nicht an den asiatischen Darstellern oder Namen (die Unterscheidung von ihnen ist schlicht und ergreifend Übungssache), sondern vielmehr das die Handlung so manchen Faden ab und zu aus den Augen verliert oder gleich völlig aufgibt. So gibt es beispielsweise einen maskierten Killer, der Heis Frau ans Leder will und für Spannung zwischen den dramatischen Szenen sorgt. Wirklich aufgeklärt wird das aber nicht, und nach einer Verfolgungsjagd führt der ganze Handlungsstrang ins Leere – oder ich hab es schlicht und ergreifend einfach nicht verstanden. Auch kann sich „Confession of Pain“ dem asiatischen Humor nicht ganz verwehren; der ist für westliche Gemüter durchaus ungewohnt und wirkt manchmal etwas krude platziert, aber über weite Strecken hält der Film sich auch hier zurück. Das Geschehen ist zwar sehr ernst (was auch in wenigen graphischen Szenen deutlich wird), aber so manchen Anflug von absurdem Humor Hongkong-Style erlauben sich Lau und Mak dann doch.
Insofern ist „Confession of Pain“ also ein sehr gut gespieltes, professionell inszeniertes und hervorragend produziertes Thrillerdrama, das aber nicht an „Infernal Affairs“ herankommt, und somit eine kleine Enttäuschung darstellt, wenn man ihn damit vergleicht. Allerdings ist letzterer natürlich ein unglaublich guter Film, so dass es keine Schande ist, den Vergleich zu verlieren. Damit stellt der Film auch gleichzeitig noch den besten Beitrag in der Killer-Thriller-Box dar, dass diese sich aufgrund dieses Films schon locker lohnt, da der Preis mit knapp 10€ auch völlig in Ordnung geht.