„The first bite draws blood, blood draws the pack.”
Wenn Fisch auf der Speisekarte steht, ist das vielleicht nicht jedermanns Sache.
In Alexandre Ajas blutrotem Gulasch erfreut allerdings noch eine weitere Zutat die wählerischen Gaumen der Genreliebhaber: Fleisch…
Menschenfleisch!
Der „Piranha 3D“ betitelte Kinospass stellt dabei eine mehr oder weniger freie Neuauflage von Joe Dantes 1978 entstandener, rotzfrecher Trash-Antwort auf Steven Spielbergs erfolgreichen Schocker „
Der Weiße Hai“ (1975) dar.
Obwohl hier nicht auf dieselben Charaktere wie im Original zurückgegriffen worden ist, hat man das blutrünstige Szenario um das jähe Ende eines feucht-fröhlichen Bade-Events freilich beibehalten.
Im Städtchen Lake Victoria ist das Chaos ausgebrochen – das in den USA von Studenten exzessiv zelebrierte
Spring Break hat begonnen und ganze Scharen Partysüchtiger haben sich in der ansonsten eher ruhigen Gegend niedergelassen, um im dortigen Fluss erfrischende Abkühlung zu finden und sich sexuellen Ritualen sowie ausführlichem Alkohol- und Drogenkonsum zu widmen.
Sheriff Julie Forester (Elisabeth Shue, „
Leaving Las Vegas”) hat mit ihrem Deputy Fallon (Ving Rhames, „
Pulp Fiction”) neben dem hormongesteuerten, jungen Volk allerdings noch ein weiteres, ungleich ernsteres Problem am Hals:
Ein Erdbeben hat eine Öffnung zu einer unter dem Flussbett gelegenen Höhle geschaffen, in der noch Exemplare einer prähistorischen, besonders aggressiven Piranha-Spezies überlebt haben, welche sich nun ihren Weg zu dem menschlichen
All-you-can-eat-Buffet bahnen.
Der Notstand wird ausgerufen und die Gesetzeshüter müssen nun einerseits versuchen, den zunächst uneinsichtigen Partygästen aus der nassen Todesfalle zu helfen und außerdem an einer anderen Stelle des Flusses die Besatzung eines langsam sinkenden Bootes retten, unter der sich auch die Kinder des weiblichen Sheriffs befinden…
Nach dem, im Vergleich zu den intensiven Vorgängern „
High Tension“ (2003) und „
The Hills Have Eyes - Hügel der blutigen Augen“ (2006), etwas schwächeren Gruselfilm „
Mirrors“ (2008) hat der in Hollywood offensichtlich auf Remakes abonnierte, französische Horrorprofi Alexandre Aja mit seiner
3D-Auflage des fischigen Grauens wieder voll zu seinen Stärken zurückgefunden, aber hier erstmalig den auch diesmal vorhandenen, hohen Gore-Gehalt um eine Ladung äußerst makaberen Humors bereichert.
Im Vorfeld hat der Regisseur versprochen, dass sein neues Projekt zwar einerseits ein
fun-movie werde, aber andererseits die fiesen Piranha-Attacken durchaus schockierend und hart umgesetzt seien.
An dieser Stelle kann man Aja nur zustimmen: Die Mischung aus Spass und Nervenkitzel ist hier sehr gut ausbalanciert und die bereits berüchtigte
Spring Break-Massaker-Szene derart konsequent inszeniert worden, dass sie den Zuschauern, im Gegensatz zu einer reinen Splatter
komödie wie etwa Peter Jacksons „Braindead“ (1992), zwar aufgrund der grotesken Darstellung des Öfteren einen Lacher entlockt, aber durch die präsentierte Härte auch gelegentlich den Atem stocken lässt.
Außerdem gewinnt man hier trotz der geringen Laufzeit letztlich selbst die dekadentesten Filmfiguren irgendwie so lieb, dass man mit deren Schicksal richtig mitfiebert.
In diesen Momenten funktioniert „Piranha 3D“ dann wie ein ganz klassisches Katastrophendrama – nur halt im Horrorgewand.
Als Mainstream-Produktion stösst das Werk mit seiner massiven Darstellung von Gewalt und nackter Haut allerdings schon in seiner jetzigen Fassung an gewisse Grenzen.
Dies könnte dann vielleicht auch der hauptsächliche Grund dafür gewesen sein, weshalb das Einspielergebnis nach dem US-Kinostart etwas hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist.
Tatsächlich sollen sogar vor dem Release etwa fünf Minuten besonders extremen Materials der Schere zum Opfer gefallen sein, die dann wohl für die spätere DVD-Auswerterung im Rahmen eines
Director’s Cuts wieder in das Schlachtfest integriert werden.
Zartbesaitete Zuschauer sollten also vor dem Besuch bereits gewarnt sein, denn trotz der angesprochenen Humorlastigkeit und der sympathischen Charaktere kann man „Piranha 3D“ bestimmt nicht als leichtfüßiges Vergnügen für den „normalen Kinogänger“ bezeichnen.
Alexandre Aja, dessen Arbeiten man stets anmerkt, dass in diese das Herzblut eines ehrlichen Genrefans eingeflossen ist, tobt sich hier wie ein großes, ungezügeltes Kind mit den blutigen
Make Up-Effekten aus dem Hause Gregory Nicotero und Howard Berger („
From Dusk Till Dawn“) sowie den von ihm zum ersten Mal verwendeten Möglichkeiten der dreidimensionalen Tricktechnik aus.
Da kommen durchtrennte und entblößte weibliche Oberkörper ebenso plastisch zu dem mit der entsprechenden Brille ausgestatteten Publikum abgetaucht, wie auch männliche Genitalien von den gierigen Fischen in Großaufnahme zuerst hastig verschlungen und schließlich doch angewidert ausgespuckt werden.
Die hervorragend animierten, mörderischen Wasserbewohner selbst sehen übrigens ein wenig so aus, als hätte
Evil Deads Ash im Kampf gegen die Armeen der Finsternis das
Necronomicon versehentlich in den Lake Victoria fallen lassen.
Obwohl die Bilder aufgrund von Schwierigkeiten durch Wasserreflektionen und der Bevorzugung Ajas für die klassische Aufnahmeweise nicht, wie sonst vermehrt üblich, mit modernen digitalen 3D-Kameras eingefangen worden, sondern infolge der von vielen Filmfans verschmähten Postkonvertierung entstanden sind, muss man das Werk als bisher wahrscheinlich unterhaltsamste Produktion in diesem Format bezeichnen.
Wie bereits in den Achtzigern, in Streifen wie „Und wieder ist Freitag der 13.“ (1982), nutzt „Piranha 3D“ die betreffenden Effekte als das, was sie ja eigentlich auch sind und immer waren: Ein Gimmick, das dazu dient, den Besuchern das bluttriefende Abenteuer noch eindrucksvoller und unterhaltsamer zu gestalten – auch wenn „
Avatar - Aufbruch nach Pandora“-Schöpfer James Cameron, der ironischerweise seine Regie-Karriere mit der
Fortsetzung von Joe Dantes Original begonnen hat und ursprünglich mit diesem auch hier für einen Gastauftritt vorgesehen war, beim Lesen dieser Aussage vermutlich verärgert die Nase rümpfen würde…
Besondere Freude werden viele Zuschauer vermutlich auch an den Cameos von Richard Dreyfuss und Christopher Lloyd haben, die hier auf charmante Weise Erinnerungen an markante Rollen aus ihren jeweiligen Karrieren hervorrufen – mehr soll an dieser Stelle nicht verraten werden.
Natürlich sollte niemand von dem Film mehr als ein adrenalingeladenes Leinwandabenteuer erwarten - dieses wiederum ist aber mit seinen unglaublichen Einfällen so grandios umgesetzt worden, dass hier definitiv einer der kurzweiligsten und besten Popcorn-Streifen des diesjährigen Kinosommers vorliegt.
Alexandre Aja ist zu seiner alten Höchstform zurückgekehrt und Fans der härteren Gangart, sowie pechschwarzen bis geschmacklosen Spässen, dürfen sich bereits auf etwas gefasst machen…
Hier gibt's Fisch satt!