von Asokan Nirmalarajah
Die ersten Bilder wirken trotz visuellem Entfremdungseffekt noch recht vertraut: ein Mann in schwarzem Anzug und Krawatte, und mit einem Aktenkoffer in der Hand, geht selbstbewusst auf die Kamera zu, hält kurz inne und stürzt sich plötzlich in einen Freudentanz. Dieses Motiv des souverän auftretenden Hochstaplers, der nach vollbrachtem Coup seine Maske fallen lässt, ist ein beliebtes Genre-Element unzähliger Krimis, Komödien und Dramen, in deren Zentrum ein Betrüger steht, dessen Triumph am Ende der Handlung oft und gerne auch vom Zuschauer geteilt wird, sofern das betroffene Opfer abscheulich genug und die Aktion clever genug war. Eine bemerkenswerte Faszination geht von dieser Figur aus, die man im amerikanischen Kino als
con(fidence) man schon in unzähligen Werken bewundern durfte. Die
Ocean’s Eleven (2001/04) - Filme von Steven Soderbergh und Steven Spielbergs
Catch Me If You Can (2002) sind dabei jedoch nur die jüngeren Exemplare einer filmischen Tradition, die ihre psychologisch nuancierteste und dramaturgisch aufregendste Form oft in den Filmen des Regisseurs David Mamets gefunden hat:
House of Games (1987),
Heist (2001) und
The Spanish Prisoner (1997) sind zugleich fesselnde Krimis als auch sehr präzise beobachtete, kammerspielartige Psychogramme von
Hochstaplern, die sich über kurz oder lang selbst betrügen, ja gar betrügen müssen, um ihr angeborenes Misstrauen gegenüber allen anderen Mitmenschen und die daraus resultierende Einsamkeit verkraften zu können.
Sobald sich Alexander Adolphs Dokumentarfilm
Die Hochstapler (2007) aber mit der beschriebenen Eingangssequenz in diese Tradition eingeschrieben hat, so fährt er schon fort, mit diesem romantischen Bild des beeindruckenden Trickbetrügers zu brechen, indem er vier unscheinbare Männer zu Wort kommen lässt, deren diverse Betrügereien sich zwar fantastisch anhören mögen, aber der Wahrheit entsprechen, und deren vermeintliche Souveränität sich im Laufe des Film bald als bröckelnde Fassade für ihre vornehmlich tragischen Biographien und psychischen Widrigkeiten entpuppt. Doch das intelligente Kinodebüt Adolphs lässt nicht nur Täter, sondern auch Opfer und Angehörige der charmanten bis beunruhigenden Protagonisten vor die Kamera treten, um durch die Montage intimer Interviews ein komplexes Geflecht der Abhängigkeit zwischen diesen Parteien zu zeichnen, und die Motive zu betonen, die allen Betrügereien zugrunde liegen. Denn oftmals ist es nicht das schnelle Geld oder das bessere Leben, sondern die Sehnsucht nach Liebe, Anerkennung und Vertrauen die hier für Täter wie Opfer lockt.
Ohne belehrenden Off-Kommentar, aber dafür durch sehr geschickte Montage erzählt der bewusst als Kammerspiel angelegte Film von vier Hochstaplern, indem er sie selbst erzählen lässt: der hünenhafte, lispelnde Torsten S. (40), der egoistische, kühle Mark Z. (35), der altersgraue, ruhige Peter G. (60) und der charmante, amüsante Jürgen H. (45) erzählen von ihren Aktionen, die zwischen absurder Komik und bestürzender Misantrophie pendeln, von ihrer schwierigen Kindheit, ihrem unmöglichen Liebesleben und suchen mit Angehörigen, Opfern und Experten nach den psychologischen und sozialen Ursachen und Konsequenzen ihrer Betrügereien. All das ist recht faszinierend, und zudem mit Humor und bitteren Selbsterkenntnissen von den Interviewten präsentiert. Das zunächst so fremde Phänomen der Hochstapelei wird auch von jeder denkbar möglichen Seite aus betrachtet und erscheint im Laufe des Films auch uns unangenehm vertraut: die Täter suchen nach Anerkennung, die Opfer nach Freundschaft, und wenn dabei Gesetze gebrochen und Existenzen zerstört werden, dann ist die Frage nach der Schuld plötzlich weit komplexer als man es sich zunächst denkt. Anders als in fiktionalen Kinowelten sind die Trickbetrüger hier nämlich keine liebenswerten, bewundernswerten Helden und die Opfer auch nicht völlig von einer gewissen Mitschuld freizusprechen. Als soziologische, vielschichtige Studie von Betrügern, ihrer Weltsicht, ihrem Ursprung und ihren Einfluß auf die Gesellschaft ist Adolphs Werk wertvoll, da er Fragen nach Identität und Wahrheit, Männerfreundschaft und Vertrauen effektiv nachgeht.
Doch Adolphs Film ist auch einer jener Filme, die man sehr schätzt, aber nicht wirklich mag. Wie gewohnt bei Dokumentarfilmen, die größtenteils aus Interviews bestehen, ist auch dieser auf Dauer ermündend, da er formal allzu bieder ausgefallen ist. Trotz seiner knappen Laufzeit von 84 Minuten, der cleveren Montage und grobkörnigen Filmsequenzen, die die Interview-Segmente überbrücken, und diversem Archivmaterial, hat der Film große Probleme narrativ in Fahrt zu kommen und die Art von Kammerspiel-artiger Intensität zu erreichen, die er mit Nahaufnahmen, Überblendungen und Perspektivwechsel zu erreichen sucht. Auch sind nicht alle der Interviewsubjekte gleich interessant. Während man Peter G. und Torsten S. ob ihrer Unscheinbarkeit ihre Geschichten nicht ganz glauben mag, ist Jürgen H. fast schon zu sicher und sympathisch in seinem Betragen, um wirklich hinter seine Fassade schauen zu können. Entsprechend angestrengt, kraftlos und anstrengend wirken ihre Segmente, trotz manch interessanter Einsicht.
Die einzige Figur, die die erhoffte Intensität aufbringt und den Film auch alleine hätte tragen können, ist Mark Z., über den man im Vergleich am meisten erfährt, da sich sowohl seine Eltern als auch eines seiner Opfer zu ihm äußern, und so im Gegenschnitt ein facettenreiches Porträt von ihm zeichnen. Abgesehen davon jedoch geht von Mark Z. auch die Art von beunruhigender Faszination aus, die man von Kino-Bösewichtern erwartet, und gefilmt in einem rötlich abgedunkelten Raum strömt er sowohl beeindruckende Intelligenz, erschreckende Misantrophie als auch eine berührende Verletzlichkeit aus. Und ein solch nuanciertes wie einzigartiges Bild eines realen Trickbetrügers macht das akademisch wertvolle, aber filmisch spröde Werk
Die Hochstapler dann doch zuweilen sehenswert.