Betrachten wir also – wie im Horror-Special bereits angekündigt – den zweiten Langfilm von Alex Turner mal etwas näher. Wir erinnern uns:
Dead Birds war zwar kein großes Kino und auch nicht sonderlich originell, aber trotzdem sicherlich eine Perle unter den zahllosen direct-to-DVD Horrofilmen unserer Zeit. Mit gesunder Härte und einem Gespür für Spannung wusste Alex Turner den Haunted-House-Streifen zu einer äußerst gelungenen Schauergeschichte im historischen Setting des Wilden Westens zu formieren, ohne seine Budgetbegrenzungen zu vergessen und sich an einem unerreichbaren Scale der Handlung zu versuchen. Nun also ist sein neuer Film „Red Sands“ bei amazon endlich mal billiger geworden (fast 20€ für einen dtv-Streifen? Nein danke.), insofern steht einer zünftigen Rezension nichts mehr im Wege.
Erneut erzählt Turner eine Geistermär in ungewohntem Setting: diesmal ist eine Gruppe von amerikanischen Soldaten in Afghanistan eigentlich auf einer Routinemission unterwegs. Sie sollen Posten in einer heruntergekommenen Hütte mitten im Nirgendwo beziehen, um eine Straße zu überwachen, von der vermutet wird, dass die Taliban sie als Nachschubroute benutzen. Bei ersten Umgebungserkundungen nach einem kurzen Gefecht zerstören die Soldaten eine in den Felsen gehauene Statue. Zu allem Überfluss funktioniert schon bald das Funkgerät nicht mehr, und ein nächtlicher Sandsturm verhindert das Fo
rtkommen. Doch plötzlich kommt mitten aus der Wand aus Sand eine afghanische Frau, die in der Hütte Zuflucht sucht. Denn irgendwas lauert in der Wüste...oder ist es sogar schon mitten unter den GIs?
Wie jetzt? Soldaten in einem abgelegenen Haus, abgeschnitten von der Außenwelt, die sich einem Feind und gruppeninternen Spannungen erwehren müssen? Und das erneut von Regisseur Alex Turner und Autor Simon Barrett? Ist das nun „Dead Birds“ reloaded?
Nunja, ganz so einfach ist es nicht. Sicherlich, die Parallelen sind unübersehbar, aber „Red Sands“ (der ursprünglich übrigens „The Stone House“ hieß, während der Produktionsphase aufgrund rechtlicher Probleme aber unter „The Shape“ lief), ist weder Prequel noch Sequel zu „Dead Birds“, sondern wird – wenn überhaupt – als Companion Piece zu dem Westernhorror gesehen. Bis auf grundlegende Themen haben beide Filme nicht sonderlich viel gemeinsam, sind aber beides Teile einer geplanten „Kriegshorror“-Trilogie („Warror“ tituliert, ein Begriff, über den sich die beiden Herren selbst lustig machen). Allerdings muss man dann fairerweise auch eines sagen: beide Filme haben das ungefähr das gleiche Geld gekostet, und obwohl Alex Turner ja zum Zeitpunkt der Entstehung von „Red Sands“ schon Erfahrung gesammelt hatte, ist „Dead Birds“ aus mehreren Gründen trotzdem der bessere Film. Diese lassen sich vor allem bei der technischen Umsetzung und dem Drehbuch suchen. Genauso muss man aber auch festhalten, dass der Film samt Audiokommentar und Making-Of einen ganz wunderbaren Einblick in die Probleme eines Low-Budget-Drehs gibt, und der Film nicht die Gurke ist, als die er in vielen Kritiken bezeichnet wird. Nur an die hohen Erwartungen nach dem Erstling vermag er leider nicht anzuknüpfen.
Fangen wir einfach mal bei der technischen Umsetzung an: eine der Stärken des Vorgängers war, dass er sich mit seinem begrenzten Budget auch nur auf sehr wenige Schauplätze beschränkte. Dadurch konnte man Sets sparen, und den eigentlich überraschend guten Cast finanzieren. Zwar beschränkt sich „Red Sands“ auch auf das Haus bzw. dessen Umgebung, nur geht viel Geld für unnötige Dinge drauf – Alex Turner spricht im Audiokommentar dementsprechend von über 150 digitalen Effekten im Film! Kein Wunder, dass die bei einem Budget von insgesamt 1,5 Millionen Dollar nicht überzeugen können. Allerdings muss man hier unterscheiden: die Illusion der afghanischen Landschaft ist quasi perfekt. Dank des Audiokommentares erfährt man viel über die digitale Manipulation der Landschaft, ohne dass einem hier die CGIs auffallen. Alle anderen Computereffekte sind aber sofort als solche zu erkennen und wirken größtenteils ziemlich billig. Die digitalen Hubschrauber über Kabul seien noch aufgrund der kurzen Dauer verziehen, aber die Erscheinungsform der „Gestalt“ wirkt wie aus einem Computerspiel Ende der 90er Jahre.
Eine Kritik, der sich Turner und Barrett durchaus bewusst sind, und im Audiokommentar sich auch nicht zurückhalten, die Effekte ihres eigenen Films zu kritisieren. Woran liegt nun also diese schlechte Computeranimation? Nunja, eben an der Natur einer Low-Budget-Produktion. Im Making-Of klingt an, dass das Budget kurz vor Drehbeginn quasi halbiert wurde, dazu kam ein kompletter Mitarbeitertausch bei der ausführenden Effektschmiede (inklusive Verlust der Originaldateien...) sowie der Tatsache, dass etliche Practical Effects zwar versucht wurden, aber am Drehtag nicht funktionierten – das Geld ging quasi zum Fenster raus, und eine Wiederholung der Effekte konnte man sich dementsprechend auch nicht leisten. Die erneut gelungenen Spannungsszenen, die Turner nunmal beherrscht, funktionieren deshalb leider nur, wenn sie nicht in einem CGI-Effekt enden, was ein großes Problem des Films darstellt und ihm seine Wirkung nimmt. Die monetären Einschränkungen gingen sogar so weit, dass Turner persönlich mit Adobe After Effects verschiedene CGIs selbst erstellen musste!
Aber auch das Script ist nicht das Beste. Nicht nur kopiert sich Barrett hemmungslos selbst, er vergisst darüberhinaus auch, dass Elemente wie die Isolation des Ortes in einem Szenario wie „Dead Birds“ nunmal besser funktionieren als bei Soldaten der US-Armee. Ok, dass das Haus mitten im Nirgendwo liegt ist ähnlich pragmatisch funktional wie das Maisfeld im Vorgänger, nur dann muss Barrett aufgrund der Geschichte sich leider zu genüge bekannter Taschenspielertricks bedienen, um seine Figuren zu isolieren: das Funkgerät „geht halt nicht“, und auch der Humvee ist dann irgendwann defekt. Das mag an sich zwar in Ordnung gehen, aber man merkt dem Script hier einfach die Ideenlosigkeit an. Genauso verheizt das Drehbuch die Idee eines Djinns leider völlig. Kurzer Exkurs: ein Djinn ist nicht etwa notwendigerweise Barbara Eden im Bikini, sondern tatsächlich eine Figur aus der islamischen Mythologie. Von Allah geschaffen aus einer rauchlosen Flamme können sie jegliche Gestalten annehmen; den stimmungsvollsten Djinn in Filmen findet man sicherlich in Robert Kurtzmans Wishmaster. Dieses Potential hat die Gestalt in Red Sands aber leider komplett vor die Wand gefahren; im Endeffekt ist es ein austauschbares, gesichtsloses Monster das hier sein Unwesen treibt (auch wenn die Djinn-Schrifttafeln zu Beginn auf Druck des Studios eingefügt wurden, sagt Autor Barrett nicht, dass das kein Djinn wäre).
Ansonsten passiert im Endeffekt nicht viel in dem Film. Das kreiden manche ihm an, ich sehe darin aber mehr eine Zeile des Subtextes: die gespannte „Langeweile“ des Krieges, das ständige Warten, das auch schon Jarhead thematisierte. Durch das spätere im Filmschnitt muntere Herumschieben von Sequenzen des Drehbuchs im Film (Barrett geht hierauf oft ein), enden so manche Szenen oft im Nirgendwo. Am auffälligsten ist das eigentlich bei einem Besuch in einer Zeltstadt, als die Truppe einen toten Hirten findet, der halb eingegraben angeblich gesteinigt wurde: diese Szene hat im finalen Schnitt eigentlich keinerlei Bedeutung. Allerdings zeigt eine deleted scene auf der DVD, dass die Szene ursprünglich für etwas Exposition sorgte, da der (vermeintlich gesteinigte Hirte, der halt überhaupt nicht gesteinigt aussieht), noch etwas Dialog zum besten geben darf, ehe er von den Soldaten aus dem Loch gezogen wird; bzw. nur sein Oberkörper samt Gedärmen. Das Kürzen dieser Szene ist ein zweischneidiges Schwert: einerseits funktioniert die Szene nun nicht mehr so richtig, so dass der ganze Besuch im Dorf eher sinnlos erscheint. Andererseits würde die zusätzliche Exposition später die Spannung herausnehmen. Genauso wie das Anhängen eines Prologs und Epilogs (der Film ist im Endeffekt eine Rückblende) die Frage nach dem „Wer-überlebt?“ leider schon in den ersten Filmminuten beantwortet, und laut Aussage der Macher im Endeffekt nur dazu dient, einen großen Namen noch im Film zu haben (J.K. Simmons in einem Minipart).
Um jetzt aber endlich mal zu den positiven Seiten zu kommen: wirklich schlecht ist der Film nicht. Sicherlich, er hat mit einigen Problemen zu kämpfen, die nunmal in seinem Naturell liegen (und auf die im Bonusmaterial der DVD auch sehr ehrlich eingegangen wird), aber gerade dann, wenn diese Mängel in den Hintergrund rücken, funktioniert der Streifen stellenweise sehr vorzüglich. Die Charaktere sind zwar kaum voneinander unterscheidbar (ein Problem, mit dem aber quasi jeder Militärfilm zu kämpfen hat, nicht zuletzt eine Großproduktion wie Black Hawk Down genauso), aber der Cast an sich ist nicht übel und macht seine Sache gut. Herausragend sind aber wieder die spannenden Szenen, die eben nicht in einem miesen CGI-Effekt enden. Hier beweist Turner wieder, dass er diese Dinge wirklich drauf hat und präsentiert (zumindest mir) ein paar der genuin gruseligsten und unangenehmsten Szenen, die ich zuletzt ansehen durfte; ohne zuviel zu verraten sei hier nur das Wort „Wachtwechsel“ erwähnt, eine stille und kleine Szene, die mir derart einen Schauer über den Rücken gejagt hat, wie lange nicht (Details auf Nachfrage in den Kommentaren). Auch die ersten 20 bis 30 Minuten sind ziemlich herausragend, wenn man das „Nicht-Geschehen“ später selbst nicht mag. Dazu kommt der ziemlich professionelle Look sowie die gelungene Illusion von Afghanistan.
„Dead Birds“ ist also der bessere Film, aber „Red Sands“ kann in einigen Szenen wirklich überzeugen. Und die vier Sterne dieser Bewertung beziehen sich explizit nicht nur auf den Film als solchen, sondern vor allem auch auf das Bonusmaterial der DVD, das einen ehrlichen Einblick in die Probleme einer Low-Budget-Produktion gibt. Und obwohl der Film nicht vollends begeistern kann, zeigt er mindestens genauso, dass Alex Turner mit „Dead Birds“ kein One-Hit-Wonder war, denn gelungene Ansätze lassen sich auch in „Red Sands“ zuhauf finden. Wie sagt Turner im Audiokommentar so schön? Gerne würde er mit zusätzlichem Geld einige der CGI-Effekte nachbessern, da er diese für sehr mies hält. Aber diese weiteren Dollars waren es dem Studio scheinbar nicht wert. Schade drum.