Direct-to-Video Filme sind schon so eine Sache: wahrliche Unmengen an Filmen überschwemmen den internationalen Markt, unmöglich kann man alles schauen, unmöglich trifft man immer nur gute Filme. Gerade weil sich zumindest anständig produzierte Low-Budget-Indiefilme kaum mehr rein äusserlich von krudem Amateurgeschmodder unterscheiden lassen, wird es immer schwieriger, wirklich gelungene Genreware zu erwischen.
Reeker wäre sicherlich ein gutes Beispiel für kleinen aber feinen Horror, während der immerhin professionell gemachte Cold & Dark eher aus anderen Gründen für Albträume sorgen kann. Doch dann stieß ich irgendwann auf einen wirklich kleinen Film, der mich wieder davon überzeugte, dass es da draußen noch unentdeckte Perlen gibt. Das Langfilmdebüt eines jungen Regisseurs, das gegen ein Budget von ca. 1,5 Millionen Dollar ankämpfen muss und auch noch als Period Piece gedacht ist? Kann das gut gehen? Ihr könnt es euch sicherlich schon denken: Dead Birds ist einer der Geheimtipps für einen gelungenen Gruselabend zu Halloween.
1863, mitten im amerikanischen Bürgerkrieg, befindet sich eine Gruppe von Outlaws auf der Flucht. Nachdem die ehemaligen Soldaten der Konföderierten einen Bankraub in einem Massaker enden lassen, suchen sie Zuflucht in einem alten Farmhaus, von dem ihr Anführer William durch einen verletzten Kameraden erfuhr, bevor dieser starb. Doch die schlechten Omen häufen sich: nic
ht nur sehen sich die sechs Banditen einem gehäuteten, aber aggressiven Tier gegenüber, das aus dem Maisfeld bricht, welches das Haus umgibt, auch die titelgebenden toten Vögel um das Haus sehen alles andere als einladend aus. Und soviel sei verraten: die Geister der Vergangenheit ruhen in diesem Haus nicht, und die eine Nacht, die die Gruppe hier verbringen will bevor sie weiter nach Mexiko reißt, wird ein Kampf ums nackte Überleben...
Vorneweg:
„Dead Birds“ ist über weite Strecken ein Haunted House Horror. Nicht mehr, nicht weniger. Angespannte Atmosphäre, geisterhafte Erscheinungen, Visionen, Gruppenmitglieder getrennt in verschiedenen Räumen, spurloses Verschwinden von Anderen – all das kennt man aus anderen Geisterhausfilmen. Alex Turner bedient sich hier über weite Strecken den bekannten Mechanismen, sucht sich so manches Klischee, und vermag sich natürlich auch nicht den inzwischen bekannten schwarzhaarigen Geisterkindern aus dem asiatischen Raum zu verwehren. Doch kann man von einem Regiedebüt
und einem Scriptdebüt (von Simon Barrett) etwas anderes erwarten? Sicherlich; doch genauso laufen die Filmemacher dann in Gefahr, sich mit einem ach-so-innovativen Konzept zu verrennen und die Sache vollends vor die Wand zu fahren. Dagegen entscheiden sich die Macher bewusst. Trotz aller breitgetretener Versatzstücke gehen Turner und Barrett aber genau den richtigen Weg und bewegen sich auf einigermaßen sicherem und abgesteckten Terrain: und das machen sie unheimlich effektiv (minor pun intended). Denn bei all den bekannten Motiven ist „Dead Birds“ nicht mehr, aber auch nicht weniger, als er zu sein vorgibt und auch sein möchte. Gelungene Genreware, ein Portfolio des Könnens von Alex Turner und damit quasi ein Empfehlungsschreiben für zukünftige Projekte.
Man mag sich nun wundern: all diese Lobhudelei, bei einer Durchschnittswertung von gerade mal 5.7/10 bei der imdb? Wie kommt das zustande?
Das liegt nicht zuletzt daran, dass „Dead Birds“ allein durch sein Szenario enorm bei mir punkten kann. Ich liebe Western, und ich persönlich bin der Meinung, dass die Verquickung von Horror und historischen Szenarien in dem massiven Horrormarkt eine absolut unterschätzte Möglichkeit ist, sich aus der Masse abzusetzen. Seien es Western mit übernatürlichen Elementen, sei es der filmgewordene Horror des Krieges (Deathwatch, im ersten Weltkrieg angesiedelt, sei hier als Tipp genannt): wenn das gut gemacht ist, sehe ich diese Szenarien enorm gerne. Gerade im Westernhorror braucht man sich kaum Gedanken zu machen über die typischen Knackpunkte moderner Horrorfilme. Es gibt keine Telefone, man braucht kein „Oh, mein Handy hat keinen Empfang“-Standardsatz abszuspulen, die Entfernung zu den Nachbarn ist größer, und die wissenschaftliche Erklärung, die immer das Übernatürliche anzweifelt kann man sich ebenfalls größtenteils sparen. Weil sich dann „Dead Birds“ eigentlich auf einen Schauplatz – das Farmgelände – beschränkt, kann man dieses Szenario eben auch mit einem geringen Budget gelungen umsetzen. Ja, selbst der Einsatz der Stadt zu Beginn ist ein schönes Beispiel für effektives Filmemachen: die schönen Kulissen sind nicht etwa aus dem PC (Handarbeit könnte man sich kaum leisten'), sondern gemietet; sie stammen aus Tim Burtons
Big Fish!
Das Schöne an dem Film ist neben dem Szenario auch, dass Alex Turner sein Handwerk beherrscht. „Dead Birds“ ist spätestens mit dem Einbruch der Nacht enorm spannend. Der Film setzt hier weniger auf vordergründige „Buh!“-Effekte wie es leider viele moderne Filme machen, sondern konzentriert sich ganz auf das unheimliche Haus und ist über weite Strecken relativ unaufgeregt, mit langen Kamerafahrten, bei denen man genau weiß, dass am Ende irgendetwas unheimliches ist; manche mögen es langweilig finden, ich liebe es! Ganz wunderbar spielt Regisseur Alex Turner auch mit zahlreichen bösen Omen und Vorgriffen auf zukünftige Ereignisse, die natürlich beim zweiten Durchgang noch mehr auffallen. Diese durchgehend angespannte und zum Schneiden dichte Atmosphäre, mit Schauplätzen wie dem knarrenden Haus, einem unübersichtlichen Maisfeld im nächtlichen Gewitter, der abgelegenen Scheune – all dies sorgt für wohlige Gänsehaut und richtigen Grusel, lässt man sich auf das historische Szenario ein.
Doch eines sei hier festgehalten: wer einen blutarmen Geistergrusel in der Tradition klassischer Filme wie Amityville oder Bis das Blut gefriert erwartet, der sei gewarnt. Ja, „Dead Birds“ ist packend und ziemlich gruselig. „Dead Birds“ ist aber auch blutig. Und zwar richtig! Was hier bei einer Freigabe ab 16 so alles geboten wird, ist schon verwunderlich. „Dankenswerterweise“ läuft der rote Lebenssaft aber schon während der Schießerei beim Banküberfall in Strömen, so dass sich der Zuschauer schon nach kurzer Zeit entscheiden kann, ob er den Film weiter schaut oder nicht, und von daher kaum mit unerwartet harten Effekten zu späterer Spielzeit konfrontiert wird. Der Film zelebriert allerdings auch kein Gemetzel überbordender Gewalt. Viel mehr setzt er auf effektive Spitzen, die kurz aber gezielt eingesetzt werden. Die enorme Spannung des Ganzen in Verbindung mit der gesunden Härte und gelungenen Tricks machen „Dead Birds“ zu der Perle, die er absolut ist.
Somit bleibt eigentlich nur eines zu sagen: Anschauen! Alex Turners Langfilmdebüt ist eine Perle die entdeckt werden möchte, ein Geheimtipp, bei dem man sich nicht wegen so mancher durchschnittlicher Kritik abschrecken lassen sollte. Freunde ungewohnter Szenarios, die sich auch von härteren Effekten nicht schrecken lassen, sollten dem Film unbedingt eine Chance geben.
Turners zweiter Film „Red Sands“ jongliert erneut mit einem speziellen Schauplatz: diesmal sehen sich US-Marines im Afghanistankrieg einer übernatürlichen Bedrohung gegenüber. Wird hier definitiv mal an die Reihe kommen, wenn die DVD im Preis fällt.
Von diesem jungen Regisseur kann man sicherlich noch einiges erwarten.
Chill-Skills:
Originalitäts-Faktor: 3 (Sonderlich originell ist das bis auf die Ansiedlung im Sezessionskrieg nicht)
Splatter-Anteil: 6 (die FSK 16 wird weeeeeeiiiiit gedehnt...wie so manche Bauchdecke)
Gruselfaktor: 8 (Ich hör die Dielen knarren, ich seh die Zähne klappern)
Ungemütliche-Schauplätze-Bonus: 6 (Ein großes Maisfeld bei nächtlichem Sturm? Definitiv ungemütlich!)
Süßes oder Saures: Sauer und ziemlich böse das Ganze.