Gemeinhin gilt Albert Pyun als Stümper, seine Ausbildung ausgerechnet bei Akira Kurosawa als Treppenwitz in der Filmgeschichte. Nur eine verhältnismäßig geringe Zahl an Zuschauern ist in der Lage, Pyuns durchaus vorhandenen Stilwillen und die Inszenierungsstrategie seiner B-Filme (meist im Action- oder Sci-Fi-Genre zu verorten) zu erkennen. MEAN GUNS gehört zu jenen Filmen im Gesamtwerk des gebürtigen Hawaianers, die zumindest in Videothekenkreisen soliden Bekanntheitsgrad und entsprechende Beliebtheit im TV-Spätprogramm genießen. Das Handlungsgerüst bricht der Regisseur, dem nicht umsonst von aufmerksamen Kritikern avantgardistische Züge unterstellt werden, auf leicht überschaubares Minimum herunter, das in ganz ähnlicher Form vom Regieduo Neveldine/Taylor (CRANK) hätte verfilmt werden können.
Eine Nacht vor der Öffnung einer modernen Haftanstalt (die so modern gar nicht aussieht und erst recht nicht nach einem Gefängnis) mietet sich das ominös-gesichtslose "Syndikat" das Gebäude um einen Wettkampf der besonderen Art zu veranstalten. 100 professionelle Killer treffen sich hier um vor Ort den Zweck des Zusammenkommens zu erfahren: Allesamt haben sie das Syndikat betrogen, was Stelvertreter Ice-T den versammelten Schwerverbrechern in einer kleinen arroganten Rede vorhält. Nun sei es an ihnen zu beweisen, wer der "härteste Motherfucker im Raum" ist - ein beachtliches Arsenal von Waffen und säckeweise Munition regnet auf die Kandidaten herab
. Die letzten drei werden mit einer gigantischen Summe belohnt. Und schon beginnt das muntere Sterben...
Mit umständlichen Nebenplots oder gar Charakterisierungen hält sich der Film gar nicht erst auf: Jede einzelne Figur bleibt hauchdünne Folie ohne weitere spezielle Funktion. So rührt der Tod dutzender Menschen im Minutentakt zu keiner Zeit, was nicht weiter verwunderlich wäre im häufig von Zynismus durchtränkten Direct-to-Video-ctionfilm: Eher erstaunt da schon die wirklich vollständige Abwesenheit jeder Identifikations- oder Heldenfigur. Keiner, nicht mal Highlander Christopher Lambert, kommt hier sauber weg, ist etwa trotz seines Killerdaseins ein aufrichtiger Mensch. Im Gegenteil, hat Lambert in einem Rückblick kein Problem damit, gleich mehrere Männer vor den Augen seiner kleinen Tochter niederzumähen und dies obendrein mit den Worten "sie hätten es allesamt verdient" abfertigt.
In dieser Filmwelt regiert allein das Recht des Stärkeren, ein jeder ist auf persönlichen Vorteil und finanzielle Interessen bedacht. Da nur Bad Guys die Szenerie bevölkern machen die vielen religiös motivierten Symbole erst Recht Sinn. Das steril anmutende Gefängnis samt Innenhof bleibt der einzige Schauplatz des Films, in dem sich die gesamte Handlung (bis auf wenige Flashbacks und sonstige Einschübe) abspielt. Es erinnert in Grundzügen an die bizarre "Geschlossene Gesellschaft" von Jean-Paul Sartre, hat es doch einen ähnlich gleichnishaften Charakter wie die dort beschriebene Hölle in einem kargen Hotelzimmer. Für Pyun ist die Arena, zu der die Haftanstalt für eine Nacht wird, eine Art Fegefeuer, in der sich die bösen Jungs bewähren können oder auch nicht. An den metallischen Kulissen muss jede Behaglichkeit abprallen, die oft spiegelglatten Oberflächen reflektieren gleißendes Licht.
Ein Abstieg in den Keller wird in aggressivem Rot ausgeleuchtet und ist unschwer als Aufgang zur Hölle zu identifizieren während Rapper Ice-T in gewohnter Prolligkeit zwischen Gottfigur, Satan und einem personifiziertem Tod einzuordnen ist. Er spielt mit Vorliebe Schach, redet wirres metaphysisches Zeug, trägt ein dickes Kreuz um den Hals und beobachtet das Geschehen mit sardonischem Vergnügen die meiste Zeit an den Bildschirmen der Überwachungskameras. Die dringen mehrfach in Bereiche vor, die sie unmöglich filmen könnten, unvermittelt nehmen die Überwachungsbilder die gleiche filmische Struktur an wie der restliche Streifen. Genauso wie der Tod am Ende von Ingmar Bergmans DAS SIEBENTE SIEGEL keine befriedigenden Antworten auf die Sinnfragen liefern kann, so stellt sich auch Ice-T zuletzt als machtlose Schachfigur für das Syndikat heraus - ein Schicksal, dem er sich mit märtyrerhafter Grimmigkeit bereitwillig stellt.
Handwerklich ist Pyuns Film solide ausgefallen (kein Wunder bei der jahrelangen Erfahrung seines Regisseurs), ohne merklich nach oben oder unten auszuschlagen. Zwar stören die aufdringlichen Versuche auf den Tarantino-Zug aufzuspringen anfänglich gewaltig, doch legt sich dieser eher deplatzierte Ansatz glücklicherweise schnell. Überzogene Trivialdialoge gibt es dann nicht mehr zu hören, betont cooles Gangsterauftreten ebenfalls nicht - nur die bisweilen sehr zynisch eingesetzte Mambo-Musik zieht sich als irritierender Soundtrack bis zum Finale durch den Film. Trotz des gewaltig hohen Bodycounts sollte man sich aber kein Shoot-Out-Ballett in der Tradition von John Woo versprechen; zu begrenzt die Mittel, mit denen der Film arbeiten muss aber auch viel zu unterschiedlich sein Umgang mit der gezeigten Gewalt. Diese zeigt ihre vielen brutalen Spitzen nur aus der sicheren Entfernung und bis auf eine unbedeutende Ausnahme wird über die gesamte Laufzeit nicht ein einziger Spritzer Blut vergeudet. Gestorben wird hier vollkommen clean, spektakuläre Stunts und Explosionen bleiben aus und selbst die Räumlichkeiten und deren spärliche Einrichtung bleiben unbeschadet.
Leider entschließt sich das hauchdünne Drehbuch schließlich doch noch, so etwas wie Licht auf die Pappfiguren zu werfen, die sich da gegenseitig umballern und zu allem Überfluss versucht der ansonsten plotlose Film streckenweise wiederum, fragmentarisch so etwas wie eine Story zu entwerfen. Diese wenigen Ausfälle bleiben aber Ausnahmen in einem Actionfilm, der deutlich die Handschrift seines Machers trägt, der es hier geschafft hat, einem fremden Skript den eigenen Stempel aufzudrücken.
Persönliche Anmerkung: Ein guter Freund zählt MEAN GUNS zu seinen prägenden filmischen Kindheitserfahrungen (beliebigen Witz bitte hier einsetzen) und hat daher die DVD ans Tageslicht gezerrt. Danke dafür.