Dass Tierdokumentationen im Kino für ein ganz besonderes Seherlebnis sorgen können, wissen wir nicht erst seit dem überwältigenden Erfolg des von
Disneynature co-produzierten „
Unsere Erde“, der die Kinogänger im Jahr 2007 mit seiner wahrhaft imposanten Darbietung der schönen Seiten der Natur fesselte. Es war hier vor allem das direkte Zusammenspiel der erhabenen Bilder einerseits und ihrem anschließenden Transfer auf die Kino-Großleinwände andererseits, das einen Appell an uns alle kreierte, der sich nicht aufdrängte, sondern ganz automatisch nachhallte und sich bildgewaltig ins Auge des Betrachters brannte. Bildgewalt lag dem Hause
Disney, das sich über all die Jahre besonders durch seine unzähligen Zeichentrickmeisterwerke hervorgetan hat, anscheinend schon immer. Denn bereits etliche Jahrzehnte vor „Unsere Erde“ begeisterte der Mauskonzern, indem er eindrucksvoll zeigte, dass „Die Wüste lebt“ [1953]. Der vorliegende Ausflug ins gefährliche Reich der Raubkatzen, für den wiederum der Dokumentationsfilmer
Alastair Fothergill als (Co-)Regisseur gewonnen werden konnte, versucht nun abermals, großartige Bilder mit einer anrührenden Geschichte in Einklang zu bringen, was auch zu einem Großteil gelingt. Doch leider verpasst es der Film am Ende, sein Potential komplett auszureizen.
„IM REICH DER RAUBKATZEN“ heft
et sich gemeinsam mit dem Zuschauer an die Fersen von majestätischen Großkatzen, die die afrikanische Savanne durchstreifen. Stets präsent: der tägliche Kampf ums Überleben. So muss das Löwenmädchen Mara bereits in jungen Jahren auf eigenen Pfoten stehen lernen, und auch die tapfere Gepardenmutter Sita, die ihre Jungen alleine aufzieht, hat es nicht gerade leicht erwischt. Denn so mächtig die Tiere auch erscheinen mögen, so gefährlich ist es doch für sie, ihr Revier gegen die tagtäglich auftretenden Widrigkeiten zu verteidigen. Der stolze Löwe Fang kann ebenfalls ein Lied davon brüllen, da der angriffslustige Kali mitsamt seiner Gang bereits lange darauf lauert und nichts unversucht lässt, den noch herrschenden König vom Thron zu stürzen.
Zweieinhalb Jahre lang verfolgten die Filmemacher ihre tierischen Hauptdarsteller auf Schritt und Tritt, was sich teils als Tortur – wildlebende Raubkatzen folgen nun einmal keinem vorgefertigten Drehplan –, zum Großteil aber als Erfahrung darstellte, die an memorablen Momenten nicht arm war. Die ungestüme, raue Schönheit der Masai Mara, gepaart mit einer unnachahmlichen (Kamera-)Nähe zu den Tieren, lässt ein optisch berauschendes, wildes Paradies auf Erden lebendig werden, in dem sich die Gegensätze die Klinke in die Hand geben. Leben und Tod, faszinierende Natur und traurige Wahrheit –
„IM REICH DER RAUBKATZEN“ bietet zweifelsohne die volle Bandbreite an Attraktionen, Emotionen und eindringlicher Kritik, die selbst vor inszenierter, kindlich verkitschter Tränendrüsendramatik nicht zurückschreckt. Und das ist im Anbetracht der Tatsache, dass es sich bei dem Film um ein familientaugliches Vehikel handelt, zum einen verzeihlich, zum anderen aber auch gleichzeitig mit der größte Kritikpunkt, den man nach Sichtung des aufwendigen Dokumentarfilms anbringen kann. Wie sich das verträgt? Zum Glück noch recht zufriedenstellend, wenngleich sich die Gegensätze hier doch schon deutlich mehr beißen als in vergleichbaren
Disneynature-Produktionen wie etwa „Unsere Erde“.
Das hat einen recht einfachen Grund: Ein Film, der das wilde Leben in der Savanne thematisiert und der nach Aussage der beratenden Wildkatzen-Expertin
Sarah Durant bewirken möchte, dass die Menschen sich mit den bemerkenswerten Geschöpfen der Wildnis beschäftigen, ja Anteil an ihrem Schicksal nehmen, sollte dieses auch unverblümt darstellen.
„IM REICH DER RAUBKATZEN“ stolziert aber lieber erhaben wie der bekannte König der Tiere über den Weg des geringsten Widerstandes, indem er auftretende Tier-Reibereien kurzerhand abblendet und mit einem süffisanten Off-Kommentar á la „Der Gegner obsiegt.“ abfertigt. Das ist insofern heuchlerisch, als dass die wilden Tiere mir nichts, dir nichts verharmlost werden, was dem Appell des Films, die Löwen und Geparden auf keinen Fall zu vermenschlichen, gehörig zuwider läuft. Selbst wenn diese Worte in der deutschen Fassung von Synchronsprecher
Thomas Fritsch (sprach passenderweise den Scar in
Disneys „
Der König der Löwen“ [1994]) stammen. Jedoch bitte nicht falsch verstehen: Der Film bietet trotz kindgerechter Präsentation immer noch eindringliche und teils auch äußerst dramatische Bilder, der Geschichte hätte etwas mehr Realismus aber dennoch gut zu Gesicht gestanden. Weil Natur eben nicht immer nur schön, sondern auch rau und hart daherkommt. Sie ist schlicht und ergreifend die Bildwerdung der Gegensätze, die uns alle umgibt. Überall auf der Welt. Jeden Tag. Das macht sie nicht nur auf faszinierende Art und Weise einzigartig, sondern vor allem auch eines: schützenswert. Und diesem Appell wissen sich dann letztlich doch nur wenige zu entziehen.
Fazit: Disneynatures
„IM REICH DER RAUBKATZEN“ ist solide Unterhaltung für Freunde großartiger Bilder, der aber leider der Mut zu etwas mehr Realismus fehlt. Schade.