Filmkritiken - von Independent bis Hollywood
 
2008 Filmkritiken | 10468 Personen | 3323 Kommentare  
   
Bitte wählen Sie

Email

Passwort


Passwort vergessen

> Neu anmelden

Auch interessant



Vollidiot
von Tobi Baumann




Meist gelesen¹

1. 
Cannibal Holocaust (Nackt und Zerfleischt)  

2. 
Martyrs  

3. 
Auf der Alm da gibt's koa Sünd  

4. 
Troll Hunter  

5. 
Antikörper  

6. 
Das Zeiträtsel  

7. 
Supernatural  

8. 
Harry Potter und der Orden des Phönix  

9. 
Andromeda - Tödlicher Staub aus dem All  

10. 
Midnighters  
¹ gilt für den aktuellen Monat

  FILMSUCHE
  Sie sind hier: Filmkritiken > Agustin Diaz Yanes > Alatriste
Alatriste RSS 1.0


Alatriste

Alatriste

Ein Film von Agustin Diaz Yanes

Captain Diego Alatriste (Viggo Mortensen) kämpft im 17. Jahrhundert für das im Zerfall befindliche Weltreich Spanien. Als Flandern-Veteran verspricht er einem sterbenden Kameraden dessen Sohn Inigo (Unax Ugalde) unter seine Fittiche zu nehmen. Dieser schreibt im Erwachsenenalter die Geschichte Alatristes auf: von den Kriegen in Flandern, über die Zeit als Auftragsmörder, bis zum Spanisch-französischen Krieg. Es ist die Geschichte eines Mannes, der vor allem durch seinen Mut zu einer Führungsfigur für seine Männer wurde - doch gleichzeitig eine Abbildung des Unterganges des spanischen Weltreiches...

"Alatriste" von Regisseur Agustin Diaz Yanes basiert auf der erfolgreichen Romanserie von Arturo Perez-Reverte, der unter anderem die Romanvorlage zu "Die neun Pforten" mit Johnny Depp schrieb. Gleichzeitig stellt "Alatriste" den bisher teuersten spanischen Film dar, mit einem Budget von ca. 24 Millionen Euro (als Vergleichsgröße: "Der Untergang" von Oliver Hirschbiegel hat ca. 13 Millionen Euro gekostet). "Alatriste" basiert auf der inzwischen sechsteiligen Romanserie von Perez-Reverte und (soweit ich das beurteilen kann ohne die Bücher selbst gelesen zu haben) überspannt auch alle bisher erschienen Bücher, doch dazu später mehr. Perez-Reverte schrieb die Bücher vor allem deshalb, da er es seltsam fand, dass Spaniens "Goldenes Zeitalter" in den Schulbücher seiner Tochter nur kurz abgehandelt wurde. Dementsprechend mischt er munter die fiktiven Figure
n (Alatriste gab es nicht wirklich) mit historischen Persönlichkeiten (Francisco de Quevedo war ein real existierender Schriftsteller) und bildet zugleich die Gesellschaft und Historie des damaligen Europas ab. So gibt es immer wieder offensichtliche Referenzen, wie z.B. die Erwähnung, dass die Kapitulation der Belagerung von Breda als Bild gemalt wurde (Screenshot 2 ist die entsprechende Szene aus dem Film). Der Film selbst ist eine Mischung aus fiktiver Biographie, Kostüm- bzw. Historienfilm und Mantel-und-Degen-Abenteuer, angereichert mit Schlacht- und Duellszenen.
AlatristeAlatristeAlatriste
Womit wir beim nächsten Punkt dieser Besprechung angelangt wären: die Kämpfe und die Gewaltdarstellung. Interessanterweise finden diese Kämpfe immer in mehr oder minder abgeschlossenen Arealen statt, schauplatzüberspannende Kämpfe gibt es nicht, ganz im Gegensatz zu modernen Mantel-und-Degen-Filmen. Dadurch erhalten die Kämpfe fast schon eine abstrakte Qualität: das Areal wird durch die Beleuchtung abgesteckt, nur die Kämpfer befinden sich dort. Selbst bei der großen Endschlacht gegen die Franzosen scheint alles räumlich begrenzt. Die Duelle sind sehr dreckig und bodenständig dargestellt, hier gibt es keine edlen Fechtszenen, sondern die Kämpfer wollen einfach siegen: sogar der Held Alatriste tritt dem am Boden liegenden Gegner, der bereits entwaffnet ist, mehrmals in die Rippen. Und als Inigo sich mit einem Kämpfer duelliert, wird dieser nicht nur nach einem kurzen staubigen Gefecht in einer dunklen Gasse mit dem Degen an die Wand gepinnt, sondern ihm darüberhinaus noch kaltblütigst die Kehle durchgeschnitten. Überhaupt ist der Film dreckig und brutal, hier wird noch wirklich blutig gestorben - stellenweise erinnert die Ästhetik des Todes fast an Italowestern. Die 16er-Freigabe ist wohl auch nur durch den historischen Kontext begründet, und sollte die Info der Internet Movie Data Base stimmen, dass der Film in seinem Heimatland Spanien ab 7 freigeben ist, dann kann ich mir nur verwundert den Kopf kratzen.

Kommen wir zum meiner Meinung nach größten Problem des Filmes: die Dramatische Struktur des Filmes ist sehr seltsam und verwirrend! Wie viele Biographien zerfällt der Film in eine furchtbare Episodenhaftigkeit, durch die einzelne Lebensabschnitte fast ohne roten Faden aneinandergereiht werden. Zwischendurch werden Jahreszahlen eingeblendet, doch immer wieder gibt es Szenen die nur für sich und ohne Gesamtzusammenhang stehen. Nach der ersten Sichtung bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass der Film wohl schon chronologisch erzählt wird, es jedoch Szenen gibt, die sich entweder nur aus dem Buch ergeben, oder einfach recht sinnlos erscheinen - so konnte ich die Schulden von Inigo schlicht und ergreifend nicht einordnen oder nachvollziehen. Diese Episodenhaftigkeit könnte sich entweder aus einer schwachen Regieleistung ergeben (Alatriste ist der dritte Film des Regisseurs), einem zerfahrenen Drehbuch (ebenfalls von Agustin Diaz Yanes) oder einfach dem Versuch alle sechs Bücher in einen Film zu packen. Ein weiteres Problem ist das muntere Name-Dropping, es fallen viele spanische Eigennamen und Orte, die für den unbedarften Zuschauer sehr verwirrend sind. Vor allem so manche Nebenfigur, die immer wieder auftaucht konnte ich weder namentlich noch kontextuell einordnen. Erschwert wird dies noch durch die Kostüme und Masken, so dass sich viele Figuren gerade in dunklen bzw. mit Farbfiltern versehenen Szenen recht ähnlich sehen.

Beim restlichen Handwerk ist alles im grünen Bereich und braucht sich eigentlich vor amerikanischen Produktionen nicht zu verstecken. Die Kostüme sind reichhaltig und haben einen angenehm erdigen Look, die Kulissen sind schön, die Landschaft beeindruckend. Besonders interessant ist der Schnitt, der stellenweise extrem gelungen ist und allein durch gelungene Szenenwechsel so manche humoristische Note ausmacht. Stellenweise wirkt der Schnitt jedoch etwas inkonsistent, als ob man jede Möglichkeit des Szenenwechsels mal ausprobieren wollte. Besonders hervorzuheben ist sicherlich noch die Kameraarbeit von Paco Femenia. Er schafft ein paar wirklich schöne Bilder, manche Einstellung wirken dementsprechend wie historische Gemälde. Schlachten werden gekonnt eingefangen und wirken intensiv ohne in moderne Kamerawackelei zu verfallen. Der Mann hat bisher wohl nur im spanischen Kino gearbeitet, man darf gespannt sein was man von ihm noch zu sehen bekommt.
AlatristeAlatristeAlatriste
Beim Rest von Cast und Crew gibt es wenig Überraschungen. Viggo Mortensen als großer Star, natürlich bekannt als Aragorn aus "Herr der Ringe", spielt den Alatriste mit sicherer Routine und interessantem Schnauzbart. Man wird tatsächlich selten an Aragorn erinnert, hier haben die Maskenbildner und Kostümdesigner gute Arbeit geleistet. Sein Ziehsohn Inigo wird im Erwachsenenalter von Unax Ugalde gespielt, der auch schon im hier besprochenen "Rosario" eine Hauptrolle hatte. In weiteren Rollen gibt es unter anderem Ariadna Gil (Pan's Labyrinth), Elena Anaya (Van Helsing), Eduardo Noriega (The Devil's Backbone) und Carlos Bardem (Perdita Durango) zu sehen. Alle Rollen wurden für die deutsche DVD auch professionel synchronisiert.

Der Film hat in Deutschland keinen Kinostart erlebt, sondern wurde direkt von der Firma e-m-s als DVD veröffentlicht. Freundlicherweise hat man uns ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Ich denke dass dies die Verleih-DVD sein dürfte. Das Bild ist sehr gut, den Ton kann ich schwerlich beurteilen, da ich nur auf einem Laptop schauen konnte. Als Sprachen gibt es Deutsch und Spanisch, wobei ich keinerlei Infos habe, ob Spanisch der Originalton ist oder auch nachsynchronisiert wurde. Das einzige Extra ist ein Trailer. Ob eine evtl. Verkaufsversion mehr Extras hat, kann ich nicht sagen. Komischerweise listet die imdb bei der spanischen Kinoversion eine Laufzeit von 147 Minuten auf, die Version des Toronto Film Festivals wird mit 135 Minuten beziffert. Im Gegensatz dazu läuft die DVD 139 Minuten. Inwiefern es hier verschiedene Schnittfassungen gibt bzw. ob die Laufzeiten in der imdb korrekt sind vermag ich nicht zu sagen. Auf jeden Fall vielen Dank an e-m-s für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplares!

Fazit: Eine Bewertung des Films fällt mir nicht sehr leicht. Einerseits leidet der Film extrem unter der Dramaturgie und seiner Episodenhaftigkeit, andererseits ist er handwerklich stellenweise hervorragend gemacht und ist eine angenehme Abwechslung. Er zeigt definitiv dass sich das europäische Kino nicht hinter Hollywood verstecken braucht - auch wenn ein paar der 24 Millionen Euro in ein besseres Drehbuch vielleicht besser investiert wären. Unter Vorbehalt gebe ich dem Film eine 3. Eventuell änder ich meine Meinung nach erneuter Sichtung.

Eine Rezension von David Kugler
(05. September 2007)
    Alatriste bei ebay.de ersteigern


Kommentar schreiben | Einem Freund empfehlen

Daten zum Film
Alatriste Spanien, Frankreich, USA 2006
(Alatriste)
Regie Agustin Diaz Yanes Drehbuch Agustin Diaz Yanes
Produktion Telecinco
Darsteller Viggo Mortensen, Ariadna Gil, Eduardo Noriega, Carlos Bardem, Unax Ugalde
Länge 139:03 FSK 16
Filmmusik Roque Banos
Kommentare zu dieser Kritik
Damocles TEAM sagte am 15.07.2010 um 17:23 Uhr

Alatriste kommt am morgigen Freitag, 16.7, um 22:20 als Free-TV-Premiere auf Pro7.

Kommentar schreiben | Einem Freund empfehlen

 

Impressum